Das kalte Schwert
ertappt. »Ins Bett zu steigen, ist nach wie vor das Wichtigste in seinem Leben. Wahrscheinlich kampiert er gerade mit seiner vornehmen Freundin irgendwo in den Bergen.«
Shanta wartete höflich, bis sie ihren Klatsch an den Mann gebracht hatte. »Ihr werdet wahrscheinlich auch Probleme mit Kaptal und Tand haben. Mit Tand, weil er Shendanak verachtet, und mit Kaptal, weil er noch einer von denen ist, die aus der Gosse hochkamen und sie eigentlich nie recht verlassen haben. Er wird schon an die Decke gehen, wenn er bloß im selben Raum mit denen aus der Oberschicht ist, zum Beispiel mit Gral und Nyanar.«
Ringil zuckte die Achseln. »Hab ich schon früher erlebt: Gewöhnliche Soldaten verachten Rang und Namen, Rang und Namen verachten die Gewöhnlichen. Klingt nicht schlimmer als andere Kommandos, die ich schon hatte.«
»Ja, Mylord Eskiath, aber ich möchte Euch daran erinnern, dass Ihr das Kommando über Militärs hattet – Männer, die Verständnis für die Härte und Disziplin des Soldatentums hatten.«
Ringil dachte an die Mannschaft aus Söldnern zurück, die er angeführt und dann draußen vor Hinerion im Stich gelassen hatte. Musste aufpassen, dass ihm kein Lächeln auf die Lippen trat. Der Marineingenieur hatte trotz seiner offensichtlichen Kenntnisse auf anderen Gebieten eindeutig nicht die leiseste Ahnung von Soldaten.
»Soldaten gibt es in allen möglichen Formen und Größen, Mylord Shanta.« Und da kam das Lächeln trotzdem. »Ich habe schon einige undisziplinierte Schweinehunde zurechtgestutzt und die Sache durchaus überlebt. Eurer Oberklasse wird unter meinen Fittichen nichts geschehen.«
»Genau die Oberklasse bereitet mir Sorgen, Gil.« Archeth warf ihm einen mahnenden Jetzt-werd-nicht-überheblich- Blick
zu. »Männer wie Shendanak und Kaptal kannst du auf Vordermann bringen – sie verstehen Willenskraft, sie verstehen Anführerschaft. Etwas schwerer wird es sein, sechs Jahrhunderte selektive Zucht und Anspruchsdenken zu überwinden.«
»Gut.« Ringil ließ einen bemerkenswerten Ausdruck höfischer Hochnäsigkeit durchschimmern. »Wenn ich Euch daran erinnern darf, Mylady: Ich habe selbst adelige Wurzeln.«
Diesmal kicherte Mahmal Shanta. »Daran zweifle ich nicht, Mylord. Aber ich fürchte, Adel aus dem Norden wird hier nicht mit derselben Münze bezahlt wie ein Reichstitel.«
»Auf der Seite meiner Mutter«, sagte Ringil, weiterhin ganz der beleidigte Adelige, »verfolge ich eine direkte Linie zu den Nachkommen der nobelsten, ähm, Flüchtlinge dieses Reichs.«
Woraufhin ein unerwartetes Schweigen folgte.
Shanta warf Archeth einen Blick zu. Sie zuckte die Achseln. »Schon wahr. Vertrieben im Schisma von Ashnal, anscheinend. Ist vielen passiert.«
»Ja. Ja, ich … ich habe gedacht …« Der Marineingenieur wandte sich um und betrachtete Ringil fasziniert. »Etwas in Eurem Gesicht – die Wangenknochen, die Krümmung der Nase – ja, natürlich, das muss es sein! Natürlich. Und diese Hautfärbung – perfekt!«
Ringil schenkte ihm ein dünnes Lächeln. Für seinen Geschmack hörte sich das zu sehr nach den Lobpreisungen bei einer Sklavenauktion an. Aber aus dem Augenwinkel erhaschte er Archeths winziges Kopfschütteln und gab sich Mühe, die Härte in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Ich schätze mich glücklich, Euch zu genügen, Mylord. Wenn also mein Gesicht so gut passt, werde ich vielleicht nicht die Gesichter dieser anderen Adeligen einschlagen müssen, damit sie mich unterstützen.«
»Oh, zweifellos«, gluckste Shanta und rieb sich die altersknorrigen Hände wie mit Wasser und Seife. Anscheinend hatte er die jähe Gereiztheit in Ringils Stimme noch nicht bemerkt. »Habt keine Bange, Mylord Eskiath – daraus spinnen wir ein schönes Garn, ein wahrhaftig schönes Garn. Ganze Dynastien wurden in den Jahren von Ashnal niedergerissen. Wir können Eure Adern mit so viel yheltethischem Adel füllen, wie wir wollen. Ihr werdet sehen. Gral und Nyanar werden vor uns auf die Knie fallen, bevor wir fertig sind.«
Ringil wechselte Blicke mit Archeth. Er brachte ein Lächeln zustande, diesmal ein echtes. Unmöglich, irgendwie, sich nicht von der Begeisterung des älteren Mannes anstecken zu lassen.
»Freut mich zu hören. Wann soll ich also diese würdigen Herren und die Dame kennenlernen?«
Shanta überlegte. »Besser, wir schieben Eure Vorstellung noch etwas hinaus. Ich würde mir gern noch ein paar ernsthafte Gedanken machen, welche Ahnenreihe wir Euch zuordnen, bevor
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