Das kalte Schwert
sich um und wollte der Hure danken, wobei er unter seinem Hemd nach einer Münze wühlte.
Die abgenutzte Wölbung des Eichenfasses schimmerte ihm entgegen. Kein grinsendes Mädchen mit grauen Zähnen, das sich daran lehnte. Er betrachtete stirnrunzelnd die Stelle, wo sie gestanden hatte, bis sich plötzlich ein gehetzt wirkender Frachtagent aus der Menge herauskristallisierte.
»Aha! Ihr seid der Besitzer, Mylord? Tailen March? Von der Geißel der Maraghan?«
Ringil schüttelte den Kopf und setzte einen Fuß gegen das Fass, um zu sehen, ob es sich rührte, ob es vielleicht hohl war und als Schlupfloch dienen könnte. Weder noch.
»Nein.«
Der Mann zögerte. »Dann wollt Ihr es erwerben? Ich kann Euch einen guten Preis bieten, Kaipreis, wenn Ihr …«
»Habt Ihr das Mädchen gesehen, das sich daran gelehnt hat?«, fragte ihn Ringil. »Vor einem Augenblick. Eine Hure? Henna im Haar, cremefarbenes Mieder?«
Eine Lippe kräuselte sich in frommem Abscheu. »Nein. Habe ich nicht.«
»Sie war genau hier, Mann! Ihr habt nicht gesehen, wo sie hin ist?«
Der Mann richtete sich auf. »Ich bin kein Zuhälter, Herr, und ich wäre Euch dankbar, mich nicht für so jemanden zu halten. Ihr seid jetzt hier in Yhelteth, nicht in den Piratenstädten.«
Ist mir nicht aufgefallen, dass mein Akzent so schlimm war.
Und dann stand Archeth auf einmal neben ihm, warf sich lachend zwischen ihn und den Agenten und packte ihn am Arm. »Ringil! Du alter Verräter! Was tust du denn hier? Machst du bereits Ärger? Wie lang bist du in der Stadt?«
Er sah, wie sie dem Frachtagenten einen warnenden Blick zuwarf. Sie hätte sich die Mühe sparen können. Er hatte in ihr bereits die Kiriath erkannt und wich wie ein Dichter zurück, den man gebeten hatte, den Abwasch zu übernehmen. Ringil hielt vergebens Ausschau in der farbigen, wogenden Menge.
»Da war eine …« Er gab es auf. Fügte sich Archeths Griff, begrüßte sie herzlich und beugte sich nahe zu ihr hinüber. »Gut, dich zu sehen, du unsterbliches Luder. Ist das dein Boot?«
»Es gehört einem Freund. Warum?«
»Ah – nichts.«
»Komm schon, ich stell dich vor.« Sie führte ihn den Landungssteg hinauf. Die Hellebardiere wichen mürrisch zur Seite und sahen ihm mit unverhohlenem Misstrauen nach. »Was tust du hier überhaupt? Hatte gedacht, du wärest heimgekehrt. Glückliches Ende und eine nette Belohnung. Was ist passiert? Die Wiedervereinigung mit der Familie hat letztlich nicht funktioniert?«
»So was in der Art, ja.«
»Bist nicht auf der Suche nach Arbeit, oder?«
Er sah sie an. Sah, dass sie keinen Scherz machte.
Er mochte Shanta auf Anhieb.
Diese verdrehte Gelehrsamkeit des Mannes – einen Willen, etwas für möglich zu halten, alles für möglich zu halten, ungeachtet dessen, wie wahrscheinlich es in Wirklichkeit war. Man sah seine Augen dabei aufleuchten, man sah, dass er an ferne Orte blickte wie in die Kohlen eines Feuers. Man konnte ihn beobachten, wie er mit den Gedanken in die Ferne schweifte, und ihm zusehen, wie er sich von den Strömungen in seinem Kopf vom Kai der Wirklichkeit wegreißen ließ.
Könnte fast ein Kiriath sein.
Obwohl sich, um die Wahrheit zu sagen, derselbe Charakterzug beim schwarzen Volk etwas näher am Wahnsinn manifestiert hatte. Grashgal und Flaradnam waren beide dafür anfällig gewesen, sich so zu verlieren, und zwar beunruhigend häufig inmitten eines ganz normalen Gesprächs. Minutenlang waren sie weit weg, bis sie dann wieder auf die Erde zurückkehrten und mystisches Geschwätz von sich gaben, mit dem man in der Wirklichkeit nicht viel anfangen konnte. Ringil war sogar einmal Zeuge gewesen, als Grashgal sich mitten in der Schlacht so verhalten hatte. Er hatte ihn ziemlich heftig da herausreißen müssen, um ihnen beiden das Leben zu retten.
Nebenbei überlegte er, wie sehr diese Ähnlichkeit, diese Nachdenklichkeit, dieser Rückzug in sich selbst, mit dafür verantwortlich war, dass Archeth sich so offensichtlich zu dem Marineingenieur hingezogen fühlte.
»Natürlich stützen Eure Erlebnisse in der aldrainischen Sphäre – an den sogenannten grauen Orten – nur das, was der Steuermann von den Geisterinseln berichtet.« Gerade jetzt verhielt er sich so – er hatte die Spitzen der knorrigen Finger aneinander gelegt, und sein Blick verlor sich irgendwo dazwischen. »Wenn die Dwendas wirklich an Orten zu Hause sind, wo die Wirklichkeit nicht mehr an die gleichen Gesetze gebunden ist, die wir hier kennen, dann
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