Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
zu sein, war Egar fast versucht, die ganze Sache ihren natürlichen Verlauf nehmen zu lassen. Er würde viel darum geben, Menkaraks Gesicht zu sehen, wenn die Engel Glanz und Gloria abschüttelten, mit denen sie sich ausstaffiert hatten, und ihr wahres Gesicht zeigten. Vielleicht würden sie durch die Korridore der Zitadelle stolzieren und jedem Hüter die Gliedmaßen einzeln herausreißen. Vielleicht würden sie alle priesterlichen Köpfe lebendig auf einen Baumstumpf spießen, wie bei den Opfern von Ennishmin.
    Was er in jenem Sumpf gesehen hatte, bereitete ihm nach wie vor unheimliche Albträume.
    Obwohl es diesmal schwerfiele, sich zu grämen. Gewiss wäre Archeth damit die Zitadelle los.
    Sie fanden eine Kneipe, die noch geöffnet hatte. Auf den Tischen flackerten Kerzen, die fast heruntergebrannt waren, und
die Kundschaft erschöpfte sich in ein paar dösenden Betrunkenen und einigen Huren, die in einer Ecke mit ihren Luden die Einnahmen der Nacht zählten. Harath ging Becher mit gewürztem Wein an der Theke holen, während Egar sich an einen leeren Tisch dem Mädchen gegenüber setzte und sie ansah wie ein Problem, das er zu lösen hatte.
    Was so ziemlich der Wahrheit entsprach.
    »Du blutest«, sagte sie ruhig.
    Das war eine Erinnerung, auf die er wirklich hätte verzichten können. Die Wunde in seinem Schenkel pochte bei jedem Schritt, hatte anscheinend jedoch auf der Fahrt flussabwärts zu bluten aufgehört. Alles andere war oberflächlich – Furchen und Kratzer, etwa so schlimm wie die Spuren einer Auseinandersetzung mit einer Hure, die einen beklauen wollte. Der alte Spruch kam ihm in den Kopf: Schnitte, um die man sich nicht kümmert, heilen am schnellsten.
    »Bin dran gewöhnt«, knurrte er. »Was stelle ich mit dir an, Mädchen?«
    »Alles, was du willst.« Dieselbe leise, tonlose Stimme. »Ich bin jetzt dein.«
    »Ja.« Er rieb sich die Augen. »Genau.«
    Vermutlich war es das Beste, sie gleich zu Archeth mitzunehmen. Aber …
    Harath kam mit dem Wein, der inzwischen fast lauwarm war. Schweigend saßen sie eine Weile lang da, tranken und wärmten sich die Hände an der schwachen Hitze der Becher. Bald darauf stellte eine Bedienung eine Platte mit Pökelfisch vor sie auf den Tisch. Harath machte sich darüber her.
    »Was tust du also mit ihr?«, fragte er, als würde das Mädchen gar nicht dort sitzen.
    »Das geht dich nichts an. Du kehrst in dein Zimmer zurück,
zahlst die Miete und ziehst den Kopf ein. In ein paar Tagen komme ich mit dem Rest deines Geldes zu dir.«
    »Besorgt wegen dieser Dämonendinger, hm?«
    »Nein.«
    Harath nickte beim Kauen vor sich hin. »Besorgt, dass sie uns aufspüren, stimmt’s?«
    »Bist du taub oder was? Ich habe nein gesagt. Ich habe gesagt, ich mache mir um die keine Sorgen.«
    Der Ishlinak ruckte mit dem Kinn. »Ja, hört sich auch so an.«
    Egar sog scharf den Atem ein und stieß ihn langsam wieder aus. Er sah auf seine Handrücken hinab. Über den linken zog sich ein Schnitt, den er zuvor nicht bemerkt hatte.
    Na, Klasse!
    »Also gut, ja. Das ist was Ernstes«, gab er schließlich zu, sowohl sich selbst als auch dem Ishlinak gegenüber. »Die Zitadelle spielt mit Dingen herum, von denen sie nichts versteht. Dinge, die ich auch nicht verstehe. Aber das ist schwarze Schamanenzeug. Magie dunkler Mächte.«
    »Oh, was du nicht sagst!« Plötzlich lag ein Zischen in der Stimme des jüngeren Mannes. Er beugte sich über den Tisch. »Leichen – meiner verdammten Sippe, Skaranak! – stehen von den Toten auf, nachdem wir sie gerade abgemurkst haben! Gesichtslose Krieger, die mit Blitzen wandeln! Dunkle Mächte, sagst du? Ganz bestimmt?«
    »Leise, verdammt!«
    Ein Finger über den Tisch, ihm ins Gesicht. »Du hast gesagt, wir würden keine …«
    Egar packte die Hand am Gelenk und schlug sie flach auf den Tisch. »Ich habe gesagt, leise, verdammt!«
    Ihre Blicke bohrten sich ineinander, und Egar spannte den Arm, als der junge Mann seine Hand befreien wollte. Der Kampf
wogte hin und her, und seine Muskeln, die sowieso schon im Kampf stark gelitten hatten, schmerzten heftig dabei. Er soll dir die Anstrengung nicht ansehen. Zieh den Bluff durch. Er neigte leicht den Kopf, fragend. Ließ seinen Gegner nicht aus den Augen. Verstärkte auf diese Weise unmerklich den abwärts gerichteten Druck. Harath probierte es ein weiteres Mal, gab auf und versuchte, die Hand wegzuziehen. Egar hielt ihn zur Sicherheit noch ein paar Sekunden länger fest und ließ die Hand dann

Weitere Kostenlose Bücher