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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Zähne und das blanke Messer. Sie wichen zurück, zerstreuten sich und flohen wie silbrige Jungfische vor dem Netz. Egar ruckte schnaubend mit dem Kinn und sah zu, wie ihre bleichen Absätze die Brücke hinab verschwanden. Genoss das raschere Pochen des Bluts in seinen Adern.
    Ja, gute Arbeit, Hahnreitöter. Deine Triumphe werden immer größer. Der Imperator wird dir Orden verleihen, ehe du dich versiehst.
    Er schüttelte den letzten Rest seiner vom Flandrijn verursachten Introspektion ab. Auf der Nordseite rief die schimmernde Stadt. Er reckte den Hals über das Geländer und glaubte, den rötlichen Schein der erleuchteten Fenster des Ponyglücks unten am Wasser erkennen zu können.
    In wenigen Minuten könnte er dort sein.

35
    Hämmern ans Tor. Gedämpfte Stimmen.
    Ringil rührte sich in dem breiten Bett. Seine weinumnebelten Sinne suchten nach einem Anhaltspunkt für seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort und vor allem dafür, was dort draußen vor sich ging. Er hatte von Egar geträumt – irgendeinen verworrenen Unsinn; dass sie des Nachts draußen in der Steppe saßen, dass er das Knistern und Knacken der Flammen des Lagerfeuers hörte und das bärtige Gesicht des Drachentöters vor der funkensprühenden Dunkelheit beobachtete, dass er seine Lippen beobachtete, wie sie Worte formten, die er fast verstand, irgendwie jedoch auch wieder nicht.
    Er tauchte daraus empor, durchbohrt von einem schleichenden schwarzen Unbehagen und einem Gefühl für Zeit und Ort, das hoffnungslos durcheinander geraten war …
    Die Gerüche nach feuchter Erde, nach gerade stattgehabtem Sex, erfüllten das Zimmer. Vor den Fensterläden war es immer noch dunkel.
    Hämmern an …
    … Knallen der Tür, als sie gemeinsam betrunken hereinstolperten. Noyal Rakan, den er fest gegen das Holz schob, woraufhin er sich gegen ihn drückte. Grinsen und leises Knurren, und dann schob Gil steife Finger durch die üppigen, herabbaumelnden Locken des jungen
Kommandanten und zog Rakans Gesicht näher zu sich heran, für den ersten forschenden Kuss …
    Aha.
    Endlich hatten sie sich von dem langen, feierlichen und unglaublich langweiligen Bankett, das Shanta zu Ehren des Klans Nyanar ausgerichtet hatte, zurückziehen können, welch ein Segen! Vater und ältester Sohn besagten Klans hatten über die festliche Tafel hinweg doziert, wie es nur Höflinge konnten. Und unten am Tisch setzten Shanta und Nethena Gral einen öden, manierierten Kontrapunkt. Ausschweifende Toasts gingen hin und her wie immer höher steigende Wetten bei einem blasierten Spiel voller Schmeichelei und Formalität. Eine Rede nach der anderen, eine schwülstiger als die andere, zum größeren Ruhm des Reichs, des Imperators, der imperialen Charta und dem fast sicheren Erfolg des ganzen Unternehmens, unser gegenwärtiges Abenteuer. Unmöglich, dass es nicht zur Bereicherung der großzügigen Weisheit seiner Lichtgestalt beiträgt …
    Er ertappte Archeth dabei, ein Gähnen ebenso zu unterdrücken wie einen finsteren Blick. Wagte anschließend nicht, sie anzusehen, weil er befürchtete, er könne die Blasen der Heiterkeit, die in seinem Bauch aufstiegen, nicht mehr unterdrücken. Stattdessen fing er Noyal Rakans Blick auf und hielt ihn ganz sanft. Er spürte ihn flattern wie eine Motte in der hohlen Hand.
    Unter dem Satintischtuch eine zunehmende Hitze im Geschlecht.
    Hebt Eure Gläser, ich bitte Euch, meine Herren und Damen, hebt erneut Eure Gläser und trinkt auf die heilige Macht von Yhelteth und seine gottgewollte Mission, welche die Menschheit aus den Schatten weniger …
    Gähn.
    Während Shanta später die Nyanars und ihre Begleitung zur
Tür brachte und sich von allen verabschiedete, schritt Ringil hinter Rakan durch die schwach vom Lampenschein erhellten Korridore der Villa am Fluss und lenkte den jüngeren Mann nach und nach zu den Zimmern, die Shanta ihm zugewiesen hatte. Es war ein angespanntes, dünnhäutiges Theaterspiel. Hier und da blieben sie stehen und bewunderten den Geschmack des Marineingenieurs bei Malerei oder Bildhauerei, und gemurmelte, bedeutungslose Silben wurden am Rand eines aufgeregten Gelächters ausgetauscht. Sie streiften einander scheinbar zufällig, drehten sich jäh um und blickten sich in die Augen, sahen dann weg, als aus jenen aufsteigenden Blasen der Heiterkeit in Gils Bauch etwas Dringlicheres wurde …
    Und hervorbrach.
    Einmal, nur einmal, knapp vor jenem ersten Kuss, zögerte Rakan, sagte Rakan:
    Ich … mein Bruder, er … Er hätte es

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