Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
weniger zu kratzen, und der Boden unter seinen Füßen schien fester zu werden und seine Füße zu lenken.
    Der Wald öffnete sich und atmete sie ein.
     
    Eine Stunde später stolperten sie über den Fluss, ein schwaches Glucksen fließenden Wassers und ein unterbrochener, vom Bandlicht erhellter Faden am Grund eines flachen Tals. Die Geräusche der Verfolger waren Richtung Norden verschwunden, und sie legten auf dem Landsattel, der den kleinen Fluss überblickte, eine Pause ein. Zeit, einander anzusehen und zuzugrinsen, bevor sie zwischen den Bäumen hinabstiegen und jetzt leichter atmeten, weil sie etwas bedächtiger weitergehen konnten. Es war ein wenig wie das Erwachen aus einem Albtraum. Die Köpfe weniger ausgefüllt mit Furcht, sodass Raum für andere Gedanken blieb als den, bloß den Hunden zu entfliehen, und Gerin allmählich die rohen Schwielen spürte, die die Schellen an Fuß- und Handgelenken hinterlassen hatten. Das fiebrige Zittern in seinen Gelenken, das heisere Kratzen in seiner Kehle beim Atmen.
    Sie erreichten das Flussufer, fielen auf die Knie und tranken das Wasser in tiefen Schlucken.
    »Du hast gewusst, dass der Fluss hier ist?«, fragte ihn der Schmied, als er schließlich zum Luftholen wieder auftauchte. »Du hast ihn wirklich riechen können, wie du gesagt hast?«
    Gerin schüttelte den Kopf, weil er sich wahrhaftig nicht mehr sicher war. Etwas hatte ihn vorangetrieben, mehr wusste
er nicht. Er zog die schlammbeschmutzten Hände durch sein nasses Haar und über das Gesicht. Zuckte zusammen, als das Wasser in den Wunden der Fesseln brannte.
    »Wir müssen vom Ufer weg«, sagte er. »In der Mitte bleiben und flussaufwärts oder abwärts weiter. Dann können die Hunde nicht folgen.«
    »Wie lang? Das Wasser ist verdammt eisig.«
    »Eine Weile.« Gerin watete bereits hinein, bis auf Höhe seiner Waden. »Sie lassen die Hunde auf beiden Seiten am Ufer entlanglaufen, damit sie nach dem Geruch suchen, aber das braucht so seine Zeit. Und sie müssen sich für eine Richtung entscheiden. Dadurch bekommen wir eine fünfzig-fünfzig Chance. Und ich kenne noch mehr Tricks, wenn wir weiterkommen. Jetzt los!«
    Der Schmied kam knurrig auf die Beine. Er trat zu Gerin in die Mitte des Flusses und suchte sich ungeschickt seinen Weg über die Steine am Grund.
    »Na gut, Sumpfjunge«, sagte er. »Bislang warst du ziemlich gut, schätze ich. Kann nicht schaden, mal zu sehen, was du sonst noch …«
    Die Worte erstickten ihm im Hals, und er blieb stehen. Sein Gesicht zerfiel zu einem Ausdruck des Unglaubens und des Schmerzes. Er stieß einen hilflosen Laut aus, hob eine Hand zu Gerin hin, zog sie dann zur eigenen Brust zurück, wo die Eisenspitze eines Armbrustbolzens sechs Zoll aus seiner jäh blutgetränkten Weste hervorstach.
    »Bleib, wo du bist!«
    Der Ruf kam von der Biegung unten am Fluss. Gerins Kopf fuhr bei dem Geräusch hoch. Das Bandlicht zeigte ihm die drei Antreiber, die sich flussaufwärts durch das hüfttiefe Wasser nahe am anderen Ufer quälten, zwei sabbernde Hunde kurz an der
Kette gehalten. Schwarz und silbern, die Silhouetten der Männer und der Hunde, spritzendes Wasser rings um sie. Der Mann mit der Armbrust stand weiter entfernt breitbeinig auf einer abgeflachten Landzunge am Ufer, hielt seine entladene Waffe gesenkt und drehte ungeschickt die Kurbel, um sie wieder zu spannen.
    Blut quoll dem Schmied aus dem Mund. Er hielt den Blick fest auf Gerin gerichtet.
    »Läufst besser«, sagte er heiser und fiel mit dem Gesicht voran ins Wasser.
    »Bleib stehen, Sklave, oder wir schießen dich nieder!«
    Gerin sah das Blut wie Rauch unter dem treibenden Leichnam des Schmieds hervorquellen, unter den vollgesogenen Falten der Weste des Mannes, und er sah den Armbrustbolzen steif aus seinem Rücken ragen. Er sah unten an der Flussbiegung den Armbrustschützen nach wie vor mit seiner Waffe kämpfen. Er spürte, wie der Augenblick unter ihm wegkippte wie das Deck eines Schiffs in kabbeligem Wasser.
    Er fuhr herum und floh.
    Flussaufwärts, sechs verzweifelte, klatschende Schritte, und hinaus auf die Felsbrocken am Ufer, nasse Abdrücke von Händen und rutschenden Füßen auf den Steinen, dann kroch er den nachgiebigen Erdhang hinauf und zwischen die Bäume. Hinter sich hörte er, wie die Hunde von der Leine gelassen wurden, hörte das Fluchen von Männern, Klatschen. Er nahm sich die Zeit für einen letzten panikerfüllten Blick über die Schulter, sah den Leichnam des Schmieds, Hände und Füße

Weitere Kostenlose Bücher