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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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hatte, gab auf und machte sich wütend auf den Weg zurück in den Innenhof, wo sie ihr Pferd sattelte. Es waren einige Stunden Ritt bis hinab zum Hafen, und sie wollte dort eintreffen, bevor es völlig dunkel wurde.
    Aber auf der Straße hinab, während sie müde im Sattel schwankte, bemerkte sie das Gefühl in ihrem Magen, das sie für Unbehagen genommen hatte, und begriff, dass sie sich getäuscht hatte. Sie bemerkte, dass es wärmer geworden war und sich ausgebreitet hatte, zu einem schwachen Schwappen von Aufregung im ganzen Netz ihrer Adern geworden war und langsam eine erstickende Begierde in ihrer Brust aufbaute.
    Sie drückte dem Pferd die Fersen in die Weichen, damit es lostrabte.
     
    »Übersetzungsfehler oder nicht«, sagte Lal Nyanar. »Wir warten nach wie vor auf dieses Zeichen, das der Steuermann uns versprochen
hat, und es ist nicht gekommen. Das allein sollte uns eine Pause ermöglichen.«
    »Wir legen eine Pause ein.« Archeth zeigte zum Fenster hinaus auf den eisernen Kai und das Schimmern der Lagerfeuer auf dem Dock. Ungeduld brodelte in ihr – Zeit, diese Sache in trockene Tücher zu bringen. »Niemand schlägt vor, dass wir gleich jetzt das Lager abbrechen und uns flussaufwärts begeben sollen. Morgen früh wird früh genug sein, und das verschafft uns Zeit für eine vernünftige Planung.«
    »Falls …«
    »Karten zum Beispiel.« Sie unterbrach Nyanars fortwährenden Widerspruch sanft, bevor er noch mehr Staub aufwirbeln konnte. »Ich verstehe völlig, Kapitän, wenn Ihr besorgt seid, ob wir zu dieser Jahreszeit im oberen Flusslauf sicher navigieren können. Aber wir haben doch für eine solche Eventualität gewiss Sommerkarten an Bord?«
    Der Kapitän sträubte sich sichtlich.
    »Ich habe keine Angst wegen der Navigation, Mylady, aber …«
    »Ausgezeichnet. Dann müssen wir uns auf die vorhandenen Anlegestellen entlang des Südufers in dem Gebiet konzentrieren, das Manathan benannt hat. Kann ich das Euren fähigen Händen überlassen?«
    Sie ließ das Schweigen den Rest erledigen. Nyanar sah sich am Tisch um, nach Unterstützung heischend, auf die er kaum hoffen konnte, und gab dann nach. Selbst Hald würde nicht direkt einem Offizier vom Hof widersprechen, der offensichtlich derart fest entschlossen war.
    »Ich folge«, sagte er und hob langsam den Kopf, »ganz Euren Befehlen, Mylady.«
    »Schön. Dann, Kommandant Hald, glaube ich, wir soll…«
    Ein heftiger Blitz.

    Aus dem Osten, flackernd, hart und grell, so wild, dass es schien, als müsste er durch seine Gewalt das breite Heckfenster eindrücken. Er durchtränkte den Raum, vertrieb jeden Schatten mit lautlosem, bläulich-weißem Glanz. Er wusch ihre Gesichter rein von dem zögerlichen, gelblichen Lampenschein, der geradezu geeignet war, über Dokumenten zu grübeln. Er erhellte sie, dass sie wie erstarrt erschienen.
    Und verblasste.
    Von draußen vernahm sie die Rufe von Halds Männern und der Mannschaft. Sah Gestalten rings um die Lagerfeuer aufspringen, sah im Kielwasser des Glanzes die Einzelheiten jedes Dings auf dem Kai ausgebreitet. Füße donnerten auf den Planken über ihnen. Verwirrtes Gebrabbel, als die jähe Helligkeit verschwand und sie alle einander in dem Dämmerschein blinzelnd ansahen.
    »Verdammt!« Hald hatte offenbar die höfischen Manieren einen Augenblick lang vergessen, war vom Schock auf seine eher soldatischen Wurzeln zurückgeworfen worden.
    »Was war das?«, fragte jemand anders mit zittriger Stimme.
    Archeth gab keine Antwort. Sie wusste es bereits, sie musste es nicht in Worte fassen. Also blieb es dem jungen Hanesh Galat überlassen, der eine ironische Haltung und einen Humor zur Schau stellte, den sie ihm zuvor gar nicht zugetraut hätte, sich vorzubeugen und das Offensichtliche zu konstatieren.
    »Das«, sagte er und sah sie über den Tisch hinweg an, »war etwas, das Ihr wohl ein Zeichen nennen würdet. Anscheinend ist Manathans Botschafter eingetroffen.«
    Grollender Donner folgte seinen Worten.

5
    Die Jagd ging bis in die Nacht hinein.
    Zunächst waren es nackte Panik und Verwirrung, Geschrei und das erregte Gebell der Hunde, die nach wie vor unten am Lager angekettet waren. Das Krachen im Unterholz rings umher. Flüchtlinge, die frei gekommen waren und sich trampelnd und um sich schlagend ihren Weg den bewaldeten Hang hinauf bahnten. Hinter ihnen, zwischen den dichter werdenden Ausläufern des Waldes, verblassender Schimmer von Feuersglut. Gerin brannte die Kehle vor lauter Keuchen, im ganzen

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