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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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des Flaradnam.« Manathans angespannte Worte tönten düster durch die kalte Luft des Arbeitszimmers ihres Vaters. Schatten über den Wänden, breite, verblassende Lichtstreifen von den hohen Fenstern, während der Nachmittag draußen schwand. »Hier ist eine Nachricht für dich.«

    »Was für eine Nachricht?« Sie schenkte ihm nicht viel Beachtung, da sie gerade mit der Zunge an einem Apfelstück spielte, das sich zwischen ihren Zähnen verkeilt hatte. Stattdessen sah sie sich geistesabwesend im Raum um und fragte sich, wie immer, wo genau in dieser ganzen Anlage der Steuermann eigentlich saß. Sie hatte Flaradnam nie dazu bringen können, es ihr zu sagen.
    »Nun ja, eine Nachricht von gewisser Bedeutung, könnte ich mir denken.« Unmöglich zu sagen, ob in der Stimme des Steuermanns ein Unterton der Verzweiflung mitschwang oder nicht. »Schließlich ist die Nachricht diesen ganzen Weg hergekommen, um dir persönlich überbracht zu werden. Apropos, er wird hier sein, mehr oder weniger. Und…« – sie glaubte, untergründig etwas Belustigung herauszuhören – »… er wird auf dich warten.«
    Ein verzerrtes rötliches Licht entflammte in einer Ecke des Zimmers und entrollte sich zu einer schwebenden Karte der hiesigen Region. Sie schlenderte hinüber, ortete An-Monal, den Vulkankegel und die Stadt selbst am westlichen Abhang. Die Straße zum Hafen hinab, den Fluss, der den Vulkan umrundete und in das östliche Hinterland zurückwich. Symbole, die sie nicht verstand, flammten gelb über diesem Teil auf, eine Art Pfad führte in einem Bogen durch die Wüste, und schließlich ein pulsierender Markierungspunkt etwa fünfzig oder sechzig Meilen weiter flussaufwärts.
    »Hier?« Sie schüttelte den Kopf. »Aber da draußen ist nichts.«
    »Na ja, dann beeilst du dich besser und sammelst ihn auf, nicht wahr? Er soll doch nicht hungrig werden.«
    Archeth strich mit der Hand durch das Phantomfeuer und konnte den Schauer der Verwunderung nicht völlig unterdrücken, den es stets hervorrief, wenn die Berührung nicht brannte.
Sie war mit diesen Dingen aufgewachsen, aber während sich einige Aspekte des Erbes ihres Vaters über die Jahre hinweg abgenutzt hatten, waren andere nach wie vor jedes Mal ein Schock, wenn sie sich manifestierten. Jedenfalls rieb sie sich instinktiv die Hand.
    »Und du sagst, dieser Botschafter ist wegen mir gekommen?«
    »Das könnte man sagen, ja. Natürlich könnte man ebenso sagen, er sei für die gesamte menschliche Rasse gekommen – und für ein paar Sprösslinge, die nicht mehr so richtig in die Definition passen. In diesen Zeiten des Übergangs lässt sich so etwas schwer ausdrücken. Sagen wir einfach, dass dein Erbe dich für die Rolle des Empfängers der Botschaft prädestiniert.«
    Archeth wich vor dem hellen Schein der Karte zurück. Unbehagen rührte sich in ihr.
    »Und du kannst mir diese Botschaft nicht einfach selbst übergeben?«
    »Nein, ich kann es einfach nicht.«
    Das Unbehagen war jetzt richtig entfacht. Es fühlte sich an, als hätte sich etwas in ihrer Magengrube zusammengerollt. Nicht oft gestanden die Steuermänner ihre Grenzen ein – zumeist zeigten sie in ihrer Überlegenheit eine mürrische Selbstgewissheit, und selbst wenn Archeth glaubte, sie hätte eine Grenze in Wort oder Tat entdeckt, die sie nicht umhin konnten einzugestehen, wurde dieses von ausweichendem Geschwätz der einen oder anderen Sorte vernebelt.
    »Kann nicht oder will nicht?«
    »Was dich betrifft, Tochter des Flaradnam, so sehe ich da keinen praktischen Unterschied.«
    »Nein? Was würde es ausmachen, wenn ich nicht zu diesem Botschafter ginge, weil ich glaube, dass du nicht ehrlich zu mir bist?«

    »Na ja, es ist deine Botschaft.« Fast, als hätten die großen steinernen Schultern von An-Monal selbst gezuckt. »Wie du willst.«
    Stille sammelte sich wie die Spinnwebschatten in den Ecken des Raums. Die Karte brannte in dem Halbdunkel.
    »Sieh mal«, sagte sie schließlich. »Da draußen ist viel wüstes Land. Wir könnten Tage mit der Durchsuchung dieses Gebiets verbringen.«
    »Es wird ein Zeichen geben«, sagte der Steuermann kurz und bündig. »Halte Ausschau nach Osten!«
    Das war, obwohl es sich wie eine Parodie auf einen Text der Offenbarung anhörte, Manathans letztes Wort in dieser Angelegenheit. Bitten um Erläuterung wurden mit einer milden Ermahnung zurückgewiesen, keine Zeit zu verschwenden, Tochter des Flaradnam. Archeth, die ein solches Verhalten des Steuermanns bereits erlebt

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