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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Grimasse, während er zu der Trophäe aufblickte.

    »Das ist einer vom schuppigen Volk«, sagte eine leise Stimme feierlich neben ihm.
    Er sah hinab und entdeckte einen Jungen von etwa fünf Jahren mit schmierigem Gesicht und abstehendem, schmutzigem Haar. In einer rissigen und geröteten Hand hielt er ein nasses Tuch mit Streifen von Kernseife. Egar nickte.
    »Allerdings.«
    »Obwohl er jetzt tot ist.«
    »Ja, sieht so aus. Hast du ihn getötet?«
    Der Junge sah ihn an, als ob er nicht ganz richtig im Kopf wäre. »Ich bin sieben.«
    »Stimmt. Blöde Frage.« Egar unterdrückte ein Gähnen und sah sich um. »Ist dein Vater außer Haus?«
    Ein Aufflackern von Verwirrung auf dem jungen Gesicht. »Mein Vater ist tot. Ehrenvoll zur Ruhe gebettet, gereinigt von allen Sünden.«
    Es war aufgesagt – erlernte Phrasen. Der Junge hatte wohl geglaubt, er wolle wissen, ob sein Vater außer Landes wäre, dazu verdammt, als Geist auf Erden ein richtiges religiöses Begräbnis zu suchen.
    Außer Landes, außer Haus – sein Thetannisch war bei den Feinheiten nie besonders großartig gewesen.
    »Ah, ja. Ehrenvoll, ja? Dann war er Soldat?«
    Die Verwirrung wich einem zunehmenden Stolz, der ihm eindeutig ebenso sorgfältig eingetrichtert worden war wie die religiösen Phrasen. »Mein Vater starb im Krieg, im Kampf gegen die Drachen. Er ist bei der Verteidigung des Imperators und seines Volks gestorben.«
    »Das ist gut. Dann kannst du darauf stolz sein. Also, sieh mal, wer ist hier …«
    »Gadral? Gadral?« Es war kein richtiges Brüllen, aber der Junge
fuhr in die Höhe, wie wenn der Kopf im Käfig plötzlich die Augen geöffnet hätte und ihn ansehen würde. »Wenn du da draußen wieder mit deinen verdammten kleinen Bengels quatschst, werde ich dir dermaßen den Hintern ver …«
    Die Stimme erstarb, als ihr Besitzer in der Tür erschien und Egar dort stehen sah. Der Mann kniff in der morgendlichen Sonne die Augen zusammen.
    »Kann ich dir helfen, Kumpel?« Der Tonfall strotzte nicht gerade vor Hilfsbereitschaft.
    Egar nahm sich Zeit, den anderen Mann einzuschätzen. Groß nach yheltethischem Maßstab, ein schwerer, einstmals muskulöser Körperbau, der jetzt, mit zunehmendem Alter und leichterem Lebensstil, allmählich an den Rändern verwischte. Von der Sonne gebräuntes Gesicht, zerfurcht und erschlafft, aber nach wie vor Spuren militärischer Haltung, die ein wenig tiefer eingeschnitten war als im Heer üblich. Ein Hackbeil lässig in einer fleischigen, blutbespritzten Hand.
    Egar nickte zum klobigen Gerät hin. »Ihr macht Suppe?«
    Ein kurzer Zusammenprall von Blicken, während der andere Mann sich die Mühe machte, ihn ebenfalls einzuschätzen. Das Hackbeil senkte sich, hing locker am ausgestreckten Arm herab.
    »Ja. Wochenendeintopf. Möchtet Ihr was?«
    »Ich fang mit ’nem Bier an. Arbeite mich dann weiter.«
    »Natürlich.« Der Mann ruckte mit dem Kopf, er solle eintreten. Nachdem Egar an ihm vorbei war und einen Hocker an der Bar suchte, hörte er den Wirt wieder mit dem Jungen schimpfen. Aber diesmal erschien die Tirade nicht ganz so hitzig, und der Mann kam ziemlich rasch herein.
    »Euer Junge?«, fragte Egar, während sein Pint gezapft wurde.
    »Gewissermaßen, verdammt. Mein eigener Junge ist als Rekrut
in Shenshenath gestorben, als die Echsen kamen. Das ist bloß der Sohn meiner Hure. War sozusagen eine Mitgift, wisst Ihr. Jemand muss den kleinen Scheißer durchfüttern.«
    »Allerdings.«
    Der Mann setzte das gefüllt Pintglas auf die Bar. »Eintopf wird ’ne Weile brauchen. Ich hol Brot und Öl, das könnt Ihr beim Warten essen.«
    »Klingt gut.«
    Der Wirt verschwand hinter einem schmierigen Vorhang vor dem Kücheneingang und überließ Egar seinem Pint. Leise Stimmen, Klappern von Tellern und dann das dumpfe, wiederholte Klopfen des Hackbeils auf einem Holzbrett. Der Drachentöter saß in dem schalen, nach Bier riechenden Halbdunkel und dem staubigen, gefilterten Licht, das durch die noch nicht geöffneten Fensterläden hereinfiel, und nippte an seinem Bier. Es war nicht schlecht.
    Bald kam eine große, verhärmte Frau heraus, die eine Platte mit seinem Brot und Öl trug. Bei Egars Anblick blieb sie wie angewurzelt stehen, aber dann fasste sie sich sehr rasch und stellte das Essen auf der Bar ab. Sie berechnete ihm einen Elementaler für die Platte und das Bier, wirkte erleichtert, weil er ohne Gezeter zahlte, und ging dann hinaus. Egar hörte sie etwas zu dem Jungen murmeln.
    Als sie wieder

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