Das kalte Schwert
das Antwort genug. Ringil zuckte die Schultern und nahm die Zügel des linken
Pferds, führte es herum, damit er Platz hatte, und schwang sich hinauf in den Sattel. Er bezweifelte, dass der alte Mann leicht der Gefangennahme entgehen würde, Ausbildung als Kavallerist hin oder her – nicht, wenn Hinerions Grenzwache in Alarmbereitschaft versetzt worden war; aber er war nicht in der Stimmung, darüber zu debattieren. Er musste an seine eigene Flucht denken.
»Nun gut, dann bin ich dir sehr verpflichtet.« Ringil legte grüßend eine Hand an die Stirn. »Viel Glück.«
»Und Euch auch, Mylord.«
Der alte Mann ließ seinen Worten eine schwungvolle Verneigung folgen, und wiederum war sich Ringil nicht sicher, ob er sich über ihn lustig machte oder nicht. Er sah zu Eril hinüber, der jetzt ebenfalls im Sattel saß, aber der Mann von der Sumpfbruderschaft zeigte keinerlei Anzeichen, dass er etwas Unstatthaftes sah. Ringil schüttelte es ab – was immer es war – und drängte sein Pferd voran.
»Bring dich in Sicherheit, alter Mann«, sagte er knurrig. »So lange du noch kannst.«
Er kam an den Leichen vorüber, sah kurz auf eine hinab und wünschte sich dann, er hätte es nicht getan. Er riss den Blick zurück zum Saum des Walds und suchte ihn nach der abgebrochenen Kiefer ab, die den versteckten Hohlweg markierte, den Pfad, der sie vom Fluss aus hier zum Lager gebracht hatte. Es war ein Ziegenpfad und nicht zum Reiten gedacht, aber wenn sie etwas aufpassten und all ihr reiterisches Können einsetzten, sollten sie ihn benutzen können.
Ja, das sollten wir. Ringils Mund zuckte mürrisch. Die Alternativen gefallen mir nicht besonders.
Das ferne Trommeln der nahenden Kavallerie war nicht mehr fern, und als er nach Norden schaute, wo die Straße aus dem
sich lichtenden Wald hervorkam, glaubte Ringil, durch das Blattwerk eine Panzerung in der Wüstensonne aufblitzen gesehen zu haben. Er trat seinem Pferd in die Flanken.
Der alte Mann stand da und sah ihnen nach. Still lächelnd.
Unten auf der Ebene rannten die Sklaven, die noch nicht fortgelaufen waren, teilnahmslos unter ihren Befreiern umher, als wollten sie deren Panik nachäffen. Ringil und Eril galoppierten mitten hindurch zu der Markierungskiefer. Die meisten wichen ihnen aus, aber ein junger Söldner – Ringil erkannte ihn aus der Schlange vor Xanthippe wieder – hielt die Stellung und schwang ziemlich sinnlos eine Streitaxt. Ein billiger Helm saß ihm schief auf dem Kopf, und sein Gesicht war weiß vor Furcht. Er stellte sich ihnen brüllend in den Weg.
»Lass uns nicht im Stich, du vaterloser Scheiß …«
Ringil drückte sein Pferd nach links und trat dem Söldner im Vorüberreiten voll mit dem Stiefel gegen die Brust. Dann ritt er weiter.
Am Saum des Waldes zügelte Eril sein Pferd und sah zurück. Er schüttelte den Kopf.
»Schwere Kavallerie macht aus diesen Jungs da Hackfleisch.«
»Na ja, sie sind gut bezahlt worden«, knurrte Ringil und zog den Kopf ein, und dann begab sich sein Pferd auf den Weg.
Aber während die Bäume sich um sie schlossen, dachte er zurück an die Leichen um den alten Mann, und ihn schauderte. Einer der Söldner war mit dem Gesicht nach oben hingefallen, den Kopf zur Seite gedreht, die Kehle offen und völlig verklebt; ein langer, sauberer Schlitz, der ihn hatte ausbluten lassen. Genauso wie bei den Hunderten anderer heimlicher Morde, die Ringil über die Jahre hinweg gesehen hatte. Aber dieser Mann hatte die Augen weit aufgerissen, erstarrt waren sie im Schmutz auf seinem Gesicht, und sein Ausdruck …
In über zehn Jahren als Soldat hatte Ringil niemals das Entsetzen so deutlich menschlichen Zügen eingeprägt gesehen.
Ein tief hängender Zweig streifte ihn an der Schulter. Sonnenlicht fiel wie Speere durch die Äste und tüpfelte den Boden. Irgendwo in der Stille des Waldes rief ein Vogel seine Gefährtin.
Ringil schauderte es erneut.
Er schüttelte es ab. Nieste.
Da ist was im Anflug. Ganz bestimmt.
10
Eines der neun ewigen Geschenke der Kiriath an die Dynastie der Khimran, die Brücke des schwarzen Volks, tat genau das, was der Name besagte – es überbrückte das yheltethische Mündungsgebiet mit einer Arroganz der Architektur, bei der Egar die Kinnlade herabgefallen war wie eine Landungsbrücke, als er sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte. Glänzendes schwarzes Eisen, von Ufer zu Ufer gespannt wie der Regenbogen eines dunklen Herrn, wie ein Bogen, aus reiner Nacht geschnitzt, dann gehobelt
Weitere Kostenlose Bücher