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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Baum.
    »Muss von den Felsen herabgespült worden sein«, sagte Eril. »Hab jede Menge umgestürzter Baumstämme gesehen, die von den Schnellen und Wasserfällen verschlungen worden sind. So groß, wie das Ding ist, ist wahrscheinlich der ganze Baum rein, hat sich irgendwo verkeilt und verrottet jetzt Stück um Stück.«
    Ringil räusperte sich. »Ja.«
    Er ließ den Ast los und trat zurück, damit ihn die Strömung erfassen konnte. Sah ihm nach, während er stromabwärts zur nächsten Flussbiegung trieb, der gehobene Zweig nach wie vor wackelnd, als winkte er zum Abschied.
    Er sah ihm so lange nach, bis er verschwunden war. Räusperte sich erneut.
    »Zwischen diesen Bäumen ist nichts«, sagte er brüsk und führte sein Pferd wieder weiter, watete hastig zum Ufer.
     
    »Du meinst, wir können die Karawanenstraße riskieren?«
    So weit oben, wie sie saßen, konnten sie die Straße überblicken  – eine dünne, blasse Linie, die sich durch das bewaldete
Hochland östlich von Hinerion schlängelte und sich dabei auf ihrem Weg nach Norden wiederholt in Wald und Tal verlor. Ringil kniff die Augen gegen die Sonne zusammen, als könnte er auf diese Entfernung das Glitzern von Rüstung und Lanzenspitzen auf der Straße erkennen. Er schüttelte den Kopf.
    »Inzwischen haben sie die Stadtwache draußen. Mindestens alle fünf Meilen Kontrollpunkte, und sie sehen jeden schief an, der ein Schwert trägt und keinen guten Grund für seine Reise angeben kann. Ich möchte mir meinen Weg nicht da durchkämpfen müssen.«
    Eril nickte düster. Die Straße war sein Heimweg. »Aber weiter südlich wird’s genauso sein, stimmt’s?«
    »Weiter südlich wird’s noch schlimmer sein. Sobald den yheltethischen Behörden zu Ohren kommt, was ihrem Gesandten zugestoßen ist, werden wir von Glück sagen können, wenn das nicht zu einem ausgewachsenen diplomatischen Zwischenfall führt. Die Grenzpatrouillen da unten versuchen wahrscheinlich gerade, nach mehr auszusehen, als sie sind – falls der Garnisonskommandant in Tlanmar die Nerven verliert und die Zeit für die eine oder andere Strafexkursion an die Grenze für reif hält.« Ringil drückte sich Daumen und Zeigefinger an die Augen, die ihn allmählich in ihren Höhlen schmerzten. Legte das Kinn auf die hochgezogenen Knie und seufzte. »Die Wahrheit lautet, es ist eine verfluchte Scheiße. Und wir stecken mitten drin.«
    »Genau.« Eril zuckte die Achseln und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Legte sich auf den glatten, schrägen Felsen, auf dem sie sich niedergelassen hatten. Er war Phlegmatiker und hatte keine Lust, sich wegen etwas den Kopf zu zerbrechen, das er sowieso nicht ändern konnte. Er verschränkte die Arme hinter dem Schädel und sah zum strahlend blauen Himmel auf.
Gähnte und schloss die Augen. »Also sitzen wir es am besten aus.«
    Ringil warf ihm einen neidischen Blick zu. Geduld war niemals eine seiner Stärken gewesen – er hatte im Krieg gelernt sich ein wenig zu zügeln, weil er ansonsten ziemlich rasch das Zeitliche gesegnet hätte, aber das hatte nur dem grundlegenden Selbstschutz gedient und war nie zur Gewohnheit geworden, und auch das Alter war nicht so hilfreich, wie es eigentlich sein sollte. Einunddreißig Jahre, und er würde so ziemlich in alles hineinmarschieren, so lange er nur glaubte, auch wieder heil herauszukommen.
    Manchmal war er sich selbst dessen nicht so ganz sicher.
    Er starrte auf den blassen Granitbrocken hinab, wo ihre Stiefel standen, die Stulpen nach außen gekehrt, und in der Sonne trockneten. Die Socken zum gleichen Zweck drapiert. Unter seinen nackten Füße war der Fels, auf dem er saß, warm und glatt. Ein beruhigendes Gefühl, wie die sanfte Brise aus dem Westen, welche die Sonnenhitze in Schach hielt, und das Wissen, dass ihr Aussichtspunkt gut gewählt war – ungehinderte Sicht ins Tal hinab zum Fluss, den sie durchquert hatten, sowie auf die von Kiefern bestandenen Hänge auf allen Seiten. Man sah Probleme kommen, ehe sie auch nur eine gute Stunde an den Hügel herangerückt waren.
    Ihre Bäuche waren voll, Schwarzbrot und Pökelfleisch aus den Satteltaschen, kühles Wasser aus den Weinschläuchen, die sie am Fluss aufgefüllt hatten.
    Ein Falke hing reglos hundert Meter entfernt in der kristallklaren Luft.
    Xanthippe war tot, wie geplant.
    Also, was quält dich, verdammt, Gil?
    Er warf erneut einen Blick auf Eril, spürte denselben Stich von
Neid und erkannte auf einmal, was ihm zu Grunde lag. Die Bruderschaft

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