Das kalte Schwert
vor dem, was vor ihm stand, doch Furcht war wirklich nichts, das er nicht zuvor schon empfunden hatte, und das Pochen ebenfalls nicht, und sein Blut sang mit anderen, ebenso dunklen Dingen, die er seit Langem gelernt hatte, willkommen zu heißen. Und während er nie zuvor von Angesicht zu Angesicht einem Bewohner des dunklen Hofs gegenüber gestanden hatte – bis vor kurzem hatte er nicht mal an ihre Existenz geglaubt –, hatte er Auge in Auge mit anderen Dingen gestanden, die ebenso seelenverderbend genannt werden konnten, und die Wahrheit lautete, dass seine Seele nicht sonderlich verdorben worden war.
Er holte tief Luft, atmete den Kiefernduft des Waldes ein, hielt den Atem an und stieß ihn wieder aus wie den Rauch einer gut gerollten Krinzanzzigarre. Er sah Dakovash mit großen Augen an und hielt dem Blick des salzigen Herrn stand.
Eine Stille, als wartete die Welt darauf, geboren zu werden.
Aber Ringil hatte den Eindruck, dass der Mund unter dem Schlapphut sich nur für einen Augenblick nach oben verzogen haben könnte. Da, und gleich wieder weg, die bittere Spur von Erheiterung und etwas anderem, das er nicht ganz benennen konnte. Das darauf folgende Seufzen klang für seine in den Niederungen groß gewordenen Ohren etwas gekünstelt.
»Hältst du das wirklich für eine vernünftige Art und Weise, mit den Gottheiten deines Klans zu reden?«
Ringil zuckte mit den Achseln. »Wenn du verehrt werden willst, hättest du auftauchen sollen, so lange dein Bittsteller noch am Leben war.«
»Ist dir je der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht Gerin Trickfingers Gebete gehört habe, die vorauseilenden Echos schon lange gehört habe, bevor sie auch nur ausgesprochen wurden, bevor er sogar geboren worden war, und dass Hilfe gesandt wurde?«
»Ich war dort. Wenn du Hilfe geschickt hast, ist sie nicht rechtzeitig aufgetaucht.«
»Na ja, wie du gesagt hast, du warst dort.«
Ringils Augen wurden schmal. »Und was soll das nun wieder heißen, verdammt?«
Die Gestalt ahmte sein Achselzucken von eben nach. »Versteh’s, wie du willst.«
Diese Worte hingen für eine Zeitspanne über dem ausgewaschenen Granit und dem dämmrigen Raum zwischen ihnen, die sehr lange erschien. Schließlich beugte sich Ringil herab und legte den Rabenfreund behutsam auf den Fels vor sich. Er richtete sich auf und spürte dabei einen Schauder, der ihm den ganzen Rücken hinabrann. Er verschränkte die Arme fest vor der Brust.
»Was willst du, salziger Herr?«
»Aha! Also ist deine Unverschämtheit letztlich kalkuliert. Es liegt kein Risiko darin, den dunklen Hof respektlos zu behandeln, wenn er etwas von dir benötigt, hm?«
Ringil erwiderte trotz der schleichenden Kühle in seinen Knochen den Blick. »Sinnlos, einen Dämonenherrn zu respektieren, der nicht herbeigerufen werden kann, wenn er gebraucht wird.«
Etwas schien in Dakovashs Augen zu funkeln.
»Oh, sehr drollig«, flüsterte die Stimme auf einmal unbehaglich
nahe und intim, obwohl sich die Gestalt scheinbar nicht gerührt hatte. »Aber was, wenn du dich geirrt hast, kleiner Gil Eskiath? Was, wenn du dich geirrt hast und wir dich nicht so sehr brauchen, wie du glaubst? Was dann? Was, wenn ich meine Verluste einfach abschreibe, beleidigt bin und deine verdammten Knochen einfach gleich hier und jetzt in deinem noch lebenden Fleisch zerschmelze?«
Und wie in einem Albtraum, der beim Erwachen wahr wird, spürte Ringil es, ein kriechendes, sengendes Gefühl entlang der Ränder seiner Schienbeine und Unterarme, sein Rückgrat hinab und in seine Eingeweide hinein, wie ein Eimer, der im Brunnen auf Wasser trifft, die Anfänge eines wahren Schmerzes, tief vergraben unter seiner Haut, die flüchtige Vorahnung, wie es wäre, wie er umhertanzen und unablässig um sich schlagen würde, während ihn das Feuer von innen verzehrte …
»Jetzt fühlen wir uns besser, nicht wahr?«
Unter der jähen Gewalt geht er in die Knie. Schnappt nach Luft, ist bereits versengt und verätzt in der Kehle …
Es ist wegkatapultiert; irgendwohin.
Eine schmeichelnde, kühle Brise und ein schwacher silbriger Schein, von dem ihm dieses instinktive und tastende Wiederkennen sagt, dass er nicht unter dem Kommando des salzigen Herrn steht. Atem fährt ihm schluchzend durch die Kehle – der Schmerz ist verschwunden. Er kniet im Herzen des Orts, den er kennt; ein aldrainischer Steinkreis, dunstverhangen, die hoch aufragenden, reglosen, aus Stein gehauenen Monolithen verschorft mit dunklen Moosflecken und
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