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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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verzweifelten Anstrengungen, die er unternahm, sich seinen Peinigern zu entziehen, als es ihnen schließlich gelang, ihn auf das Brett zu drücken. Der Imperator schien etwas zu überlegen. Dann sah er wieder zu ihr hin.
    »Archeth – du würdest doch keinesfalls den Versuch unternehmen, die Bestrafung deines alten Kumpel Sanagh abzuwenden, oder?«
    Aha.
    Das blutige, schreiende Gesicht – die Erinnerung sprang an ihren Platz wie ein brutal eingerenktes Schultergelenk. Bentan Sanagh. Sie hatten ihm das Haar in den Kerkern abgehackt,
natürlich, und er war vom Leiden hager geworden. Und überhaupt, Kumpel traf es nicht so ganz – sie kannte Sanagh bloß flüchtig durch Mahmal Shanta und die Gilde der Schiffsbauer. Ein Idealist mit großem Maul, auf seine Weise ziemlich brillant, was ihn wahrscheinlich während Akals Regentschaft am Leben erhalten hatte, aber ihm hatte stets Shantas Instinkt für den Selbstschutz gefehlt. Archeth hatte ihn ziemlich gemocht, sich auf einem oder zwei Banketten ein paar Mal mit ihm unterhalten. Aber sie hatte ihn schon lange für verdammt gehalten und entsprechend Distanz gewahrt.
    »Weil der Prophet weiß«, fuhr Jhiral mit einem Seufzer langen Leidens fort, »dass seine gute Frau an alle Adligen bei Hofe, die er je bestochen hat, geschrieben und versucht hat, seine Bestrafung umzuwandeln. Wir alle stecken bis über beide Ohren in tränendurchweichten Pergamenten. Ich könnte mir vorstellen, dass du auch irgendwo auf der Liste stehst.«
    Stand sie nicht. Vielleicht war aufgefallen, dass sie gewöhnlich Abstand hielt. Bringt nichts, sich auf Menschen einzulassen, hatte ihr Vater bitter, betrunken, eines Nachts zu ihr gesagt, wenige Monate nach dem Tod ihrer Mutter, sie sterben dir bloß unter der Hand weg. Oder es lag vielleicht an ihrer schwarzen Haut und ihren Augen und der vulkanischen Abstammung.
    Oder der Brief ist dir vielleicht nur entgangen, Archidi. Vielleicht hast du mal wieder unter Krinzanz gestanden oder draußen in An-Monal gebrütet oder dich in der Wüste versteckt.
    »Ich habe nichts von Bentan Sanaghs Verurteilung gewusst, Mylord«, sagte sie gleichmütig.
    »Nein?« Jhiral starrte sie fast wehmütig an, dachte sie. »Nein?«
    »Nein, Mylord.«
    Kreischen. Kreischen. Abrupt verdrehte der Imperator aller Lande die Augen.

    »Oh, schneidet ihm einfach die verdammte Kehle durch!«, fauchte er.
    Die Henker erstarrten. Wechselten Blicke. Einer von Sanaghs Armen kam fast frei.
    »Mylord …?«, wagte einer der Tapferen zu fragen.
    »Ihr habt mich gehört. Vergeudet meine Zeit nicht länger damit, dass ihr ihn festnagelt und treiben lasst. Schlitzt ihm einfach die Kehle auf. Ich werde Zeuge sein, und wir können alle verschwinden und etwas weniger … Geräuschvolles unternehmen.«
    Weitere Blicke. Hilfloses Achselzucken. Sanagh war gleichfalls erstarrt, vor dem Hintergrund seiner schreienden Mitverurteilten in Schweigen verfallen. Schwer zu sagen, welcher Ausdruck ihm im Gesicht stand.
    »Nun? Mach schon!«
    »Jawohl, Mylord!« Der oberste Henker ging in Habtachtstellung. Er zog seine Gnadenklinge, trat heran und kniete neben Sanaghs Kopf nieder, während die anderen Arme und Beine auf dem Brett festhielten. Archeth erhaschte einen letzten Blick auf das blutverschmierte Gesicht, die unergründlichen Augen und dann versperrte der massige Arm des Henkers ihr den Blick. Sie bekam nicht mit, wie die Klinge Sanaghs Fleisch aufschlitzte. Aber ein Schwall Blut schoss über das graue Holz und spritzte fast bis auf den von Kupferadern durchzogenen Marmor zu ihren Füßen.
    Jhiral sah sich unter der versammelten Gesellschaft um und nickte.
    »Gut. Gut gemacht.« Draußen auf dem Wasser ging das Geschrei weiter, prallte wie wahnsinnig von den Marmorwänden zurück, erfüllte die Luft, suchte die Ohren heim wie Schwärme stechender Insekten. Jhiral musste seine Stimme nach wie vor erheben. »Das war’s dann – wir können gehen. Vielen Dank an
alle, Ihr seid entlassen. Khernshal, jemand soll die Schweinerei hier säubern, ja?«
    Der angesprochene Höfling verneigte sich gravitätisch. Jhiral wandte sich bereits ab. »Also gut, Archeth. Gehen wir und werfen wir mal einen Blick auf deinen Steuermann, ja?«
    »Ja, Mylord. Vielen Dank.«
    »Oh, nicht der Rede wert«, sagte der Imperator aller Lande mürrisch. »Das Vergnügen ist ganz meinerseits.«
    Das Gebrüll folgte ihnen hinaus.
     
    Auf Archeths Anweisung hin hatten sie Anasharal in die Gärten der Königin gebracht. Dabei

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