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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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handelte es sich um eine Erweiterung der oberen Ebenen des Palastes, die nicht viel in Gebrauch gewesen war, seitdem Akals geliebte dritte Frau vor elf Jahren im Kindsbett gestorben war – ein ruhiger, weitgehend vergessener Platz, staubige Kolonnaden und Palmen, die der Wind rüttelte, hier und da eine gespenstisch weiße Statue im Salakstil. Die inneren Bereiche vermittelten ein Gefühl von Schatten und Geheimnis, wie längst verlassene Ruinen, als wären sie überhaupt nicht Teil der Architektur. Die Pfade durch das Grün waren ungefegt, übersät mit herabgefallenen Blättern, und die größeren Bäume darüber warfen einen Flickenteppich aus Schatten. Ein guter Ort für heimliche Treffen. Niemand kam hierher, falls es nicht unbedingt sein musste – es hieß, in gewissen Nächten streife der verschleierte Geist der Königin immer noch mit ihrer Totgeburt in den Armen, eingehüllt in Gaze und blutig, durch die Gärten.
    Aber auf der anderen Seite öffneten sich diese Gärten zu einem Bereich mit sonnigem weißen Steinpflaster und Balustraden, geschmückt mit rosafarbenen Kriechpflanzen. Es gab breite Granitbänke, weitere Statuen und einen langen Balkon mit Aussicht.
Von hier aus hatte man einen Blick über die Stadt nach Westen und die breiten Wasser der Flussmündung, auf denen die Sonne glitzerte.
    Den Steuermann hatten sie auf eine zentrale Bank unterhalb der Balustrade des mittleren Balkons gesetzt. Eine Schwadron vom Ewigen Thron stand unsicher daneben Wache. Sie versteiften sich, sobald sie sahen, wer da kam. Ihr Kommandant trat vor.
    »Mylord, ich …«
    »Entspanne dich, Rakan, es sind nur wir. Nicht nötig, so zeremoniell dazustehen.«
    »Jawohl, Mylord.« Noyal Rankan, überaus angespannt dieser Tage, wie es Archeth erscheinen wollte, trug seine kürzlich erfolgte Beförderung zum Rang seines Bruders wie einen Helm und eine Uniform, die etwas zu groß geraten waren. Hin und wieder tat ihr der Junge leid. Er war noch nicht lange seinen Jugendjahren entwachsen, und seine Trauer war immer noch frisch und knabenhaft. Aber er hatte die vergangenen sieben Jahre in der Leibwache des Imperators gedient, und die Gebräuche des Regiments beim Ewigen Thron waren klar und eindeutig und ließen sich direkt zur Familientradition der Reiterstämme zurückverfolgen.
    »Das ist also unser neuer metallener Freund, hm?« Jhiral umkreiste den Steuermann und musterte ihn neugierig von der Seite. »Sieht nicht nach sehr viel aus, muss ich sagen.«
    »Verachte nicht den Bettler, ergraut und verkrüppelt an der Ecke«, zitierte Anarshal scharf. »Denn wer kann sagen, welchen Haushalt oder welche Königreiche er einstmals sein eigen nannte. Das Leben ist ein langer Traum, dessen Ende wir nicht erkennen können, und er ist vielleicht bloß eine Vorwarnung, eine glückliche Vorwarnung, die du beachten solltest.«

    »Oh, die Schrift kennt er auch.« Ein imperiales Achselzucken. »Aber das tun anscheinend alle, nicht wahr? Na ja, Steuermann – man hat mir gesagt, du hast eine Warnung für mich?«
    »Sie ist nicht für dich persönlich, Jhiral Khimran. Sie gilt deinem Volk.«
    Ein langes Schweigen. Rankan und die anderen vom ewigen Thron sahen betont anderswohin. Archeth verbiss sich ein heranschleichendes Grinsen.
    »Dann werde ich sie gewiss weitergeben«, sagte Jhiral mit einer jähen Spur von Gereiztheit in der Stimme. »Vielleicht würdest du dich jetzt bequemen, mir die Einzelheiten mitzuteilen?«
    »Und Warnung ist auch nicht ganz das richtige Wort. Du siehst darin besser eine taktische Gelegenheit. Die Chance, deinem Gegner einen Schritt voraus zu sein.«
    »Sprichst du von der Liga?«
    »Nein, spreche ich nicht. Ich spreche von etwas, das deine Grenzstreitigkeiten mit der Liga wie das erbärmliche Gezänk von Schuljungen aussehen lässt, das sie immer schon waren. Ich spreche von einer Dunkelheit aus der Legende, einem Sturm im Entstehen, einem lange begrabenen Albtraum, der wieder erwacht. Ich spreche vom Ende deines Reichs, Jhiral Khimran.
    Also setzt du dich besser hin und hörst mir zu.«

17
    Unten in der Bar gab er den beiden Besatzungsmitgliedern einen weiteren Drink aus und sagte ihnen dann, sie sollten sich zum Schiff zurückbegeben. Keiner von beiden wirkte allzu unglücklich darüber. Sie leerten ihre Gläser, wischten sich den Mund und schlurften mit einem lakonischen Seemannsgruß davon. Ringil ließ seinen eigenen Drink stehen, stützte einen Ellbogen auf die Bar und kämpfte dagegen an, dass der Raum

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