Das Karpatenschloß
ich durch dieses Wunder-
ding erkennen konnte, daß Ihr die Landstraße von Werst
herabkamt, Ihr und auch ...«
Er vollendete den Satz nicht. Über Miriotas Wangen war
eine tiefe Röte geflogen, und das Mädchen schlug die hüb-
schen Augen nieder. Und eigentlich ist es doch gar nicht
verboten, daß ein ehrbares Mädchen ihrem Verlobten ent-
gegengeht.
Sie und er, der eine nach der andern, ergriffen nun das
Fernrohr und richteten es auf die Burg.
Jetzt hatten sich auch noch ein halbes Dutzend Nachbarn
auf der Terrasse eingefunden und probierten, nachdem sie
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von seinen Eigenschaften erfahren hatten, einer nach dem
andern das merkwürdige Instrument.
»Rauch, Rauch über der Burg!« rief der eine.
»Vielleicht hat der Blitz in den Wartturm eingeschlagen«,
bemerkte ein anderer.
»Hat es denn etwa gedonnert?« wandte sich Meister
Koltz an Frik.
»Seit 8 Tagen keinen Laut!« versicherte der Schäfer.
Die biederen Landleute wären wahrlich auch nicht ver-
blüffter gewesen, wenn man ihnen gesagt hätte, daß sich auf
dem Gipfel des Retyezat ein Krater geöffnet habe, um die
unterirdischen Dünste austreten zu lassen.
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Die Dorfschaft Werst ist so unbedeutend, daß die meisten
Landkarten ihre Lage gar nicht angeben. Bezüglich der Ver-
waltungsangelegenheiten steht sie sogar noch unter ihrem
Nachbarort Vulcan, so genannt nach dem Teil des Gebirgs-
stocks von Plesa, auf dem beide Gemeinden malerisch an-
geheftet sind.
Heutzutage hat die Ausbeutung der hiesigen Mineralien-
lagerstätten den Flecken Petroseny, Livadzel und anderen,
die in der Entfernung weniger Meilen im Umkreis liegen,
ein nicht zu unterschätzendes geschäftliches Leben zuge-
führt. Weder Vulcan noch Werst haben von der Nähe des
großen industriellen Zentrums irgendwelchen Nutzen ge-
zogen; was diese Dörfer vor 50 Jahren waren, das werden sie
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sicher noch nach einem halben Jahrhundert so sein, wie sie
es heute sind, und nach Elisée Reclus besteht reichlich die
Hälfte der Bewohnerschaft von Vulcan nur »aus Beamten
zur Überwachung der Grenze, aus Zöllnern, Gendarmen,
Steuereinnehmern und Krankenpflegern der Quarantäne-
anlagen«. Rechnet man die Gendarmen und Steuereinneh-
mer ab und eine geringe Anzahl Landbauern hinzu, so hat
man die Bevölkerung von Werst – im ganzen 400 bis 500
Köpfe.
Das Dorf besteht aus einer einzigen Straße, einer breiten
Straße, deren bergiger Charakter das Fortkommen darauf
auf- wie abwärts recht unangenehm erschwert. Sie dient als
natürlicher Verbindungsweg zwischen der walachischen
Grenze und dem inneren Siebenbürgen. Über sie ziehen die
Herden von Rindern, Schafen und Schweinen, die Händler
mit frischem Fleisch, mit Baum- und Feldfrüchten, sowie
die wenigen Reisenden, die den Bergpaß wählen, statt sich
der Bahnlinie von Kolosvar und des Tals des Maros zu be-
dienen.
Die Natur hat den Kessel zwischen den Bergen von Bi-
har, dem Retyezat und dem Paring wirklich verschwen-
derisch bedacht. Reich schon durch die Fruchtbarkeit des
Erdbodens, ist er es noch mehr durch die Schätze, die un-
ter ihm lagern, wie die Steinsalzlager bei Thorda, mit einer
jährlichen Ausbeute von über 20 Millionen Tonnen; der
7 Kilometer im Umfang messende Berg Parajd, der durch
und durch aus Chlornatrium besteht; die Erzgruben von
Torotzko, die viel Blei, Bleiglanz, Quecksilber, besonders
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aber Eisen liefern und deren Schächte und Stollen schon
seit dem 10. Jahrhundert abgebaut werden; das Bergwerk
von Vayda Hunyad, aus dessen Erzen ein ausgezeichneter
Stahl hergestellt wird; ferner Steinkohlengruben, die in die-
sem einstigen Seegebiet schon in den obersten Schichten
schöne Kohle enthalten und deshalb leicht zu bearbeiten
sind (hierzu gehören die Gruben in den Bezirken Hatszeg,
Livadzel und Petroseny), zusammen eine ungeheure Abla-
gerung, deren Inhalt auf 200 Millionen Tonnen geschätzt
wird; endlich die Goldfundstätten beim Schloß Offenbanya
bei Topanfalga, jenes Gebiet der Goldwäscher, wo unzählige
sehr einfach konstruierte Mühlen den kostbaren Sand von
Verés-Patak auswaschen und jährlich für 1 Million Gulden
des edlen Metalls ausführen.
Nach dem Vorstehenden scheint hier also ein von der
Natur recht begünstigtes Land zu sein, und doch hat die-
ser Reichtum zum weiteren Gedeihen der Bewohner nicht
im mindesten beigetragen. Wenn auch die wichtigeren Ort-
schaften, Toretzko, Petroseny und
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