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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Koltz war ein kleiner Mann von 55
    bis 60 Jahren, von Geburt Rumäne, trug kurz geschorene,
    halbgraue Haare, einen noch schwarzen Schnurrbart und
    hatte eher sanfte als lebhafte Augen. Untersetzt gebaut, wie
    der Sohn der Berge, bedeckte sein würdiges Haupt ein gro-
    ßer Filzhut; den Leib umschloß ein breiter Gürtel mit er-
    habenen Verzierungen; dazu trug er eine ärmellose Weste,
    eine kurze, halbweite Hose, die in den hohen Lederstiefeln
    steckte. Mehr Gemeindevorstand als Richter, obwohl er die
    Verpflichtung hatte, unter Nachbarn entstandene Streitig-
    keiten zu schlichten, verwaltete er sein Dorf mehr nach ei-
    genem Gutdünken und nicht ohne einige Vorteile für sei-
    nen Geldbeutel. So waren alle das Gericht berührenden
    Angelegenheiten – Käufe und Verkäufe – mit einer ihm
    zufallenden Steuer belegt, ohne von den Wegegeldern und
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    dergleichen zu sprechen, die alle Fremden, Touristen oder
    Handelsleute, in seine Tasche fließen lassen mußten.
    Diese recht ergiebige Stellung hatte Meister Koltz eine
    gewisse Behäbigkeit gewinnen lassen. Während die meisten
    Bauern des Komitats schon durch den Wucher ausgesaugt
    sind, der in nicht allzu ferner Zeit das ganze Land in die
    Hand von Israeliten überliefern wird, hatte sich der Biró der
    Raubsucht der Letzteren zu entziehen gewußt. Auf sein von
    Hypotheken, von »Intabulationen«, wie man hierzulande
    sagt, freies Gut war er keiner Seele etwas schuldig. Er hätte
    eher Gelder ausleihen können, und hätte das sicher getan,
    ohne den armen Teufeln die Kehle abzuschnüren. Ihm ge-
    hörten verschiedene Weiden, schöne Grasplätze für seine
    Herden, ziemlich gut instand gehaltenes Ackerland, obwohl
    er von den neueren Kulturmethoden nichts wissen wollte;
    ferner Weinberge, die seiner Eitelkeit schmeichelten, wenn
    er an den mit Trauben beladenen Rebengelände entlangspa-
    zierte und deren reichen Herbst er mit Nutzen verkaufte –
    natürlich mit Ausnahme der ziemlich beträchtlichen Menge,
    die für seinen eigenen Bedarf zurückbehalten wurde.
    Selbstverständlich war das Haus von Meister Koltz in
    einer Ecke der die lange Straße kreuzenden Terrasse das
    schönste des Dorfes. Es bestand aus wirklichem Mauer-
    werk, hatte die Fassade ebenfalls nach dem Garten zu und
    die Tür zwischen dem dritten und vierten Fenster. Grüne
    Schlingpflanzen umsäumten die Dachrinne mit ihrem wir-
    ren Gezweig, und zwei große Buchen breiteten über dem
    blumendurchsetzten Strohdach ihre massigen Äste aus. Da-
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    hinter lag ein hübscher Garten mit rechtwinklig angeord-
    neten Gemüsebeeten und geradlinigen Obstbaumreihen,
    die auch noch ein Stück die Berglehne hinaufreichten. Das
    Innere des Gebäudes enthielt einige für die hiesigen Ver-
    hältnisse stattliche und sauber gehaltene Räume, Eßzim-
    mer, mehrere Schlafzimmer mit angestrichenem Mobiliar,
    Tischen, Betten, Bänken, Stühlen und Schemeln, ferner Ge-
    stelle mit Töpfen und blinkenden Schüsseln. Oben traten
    die Balken der Decke sichtbar hervor, und daran hingen mit
    Bändern und lebhaft gefärbten Stoffen geschmückte Vasen;
    an den Wänden standen schwere, mit dicken Woll- und fei-
    nen Steppdecken überzogenen Kisten, die als Truhen und
    Schränke dienten; an den hellen Wandflächen endlich hin-
    gen die roh illuminierten Bilder der rumänischen Helden –
    unter anderem das des volkstümlichen Heroen aus dem 15.
    Jahrhundert, des Woiwoden Vayda-Hunyad.
    Das Ganze bildete eine recht freundliche Wohnstätte,
    die für einen einzelnen Mann nur zu groß gewesen wäre.
    Der Meister Koltz hauste hier auch nicht allein. Seit etwa
    10 Jahren Witwer, besaß er doch eine Tochter, die schöne
    Miriota, die von Werst bis Vulcan, und auch noch darüber
    hinaus, allgemein bewundert wurde. Sie hätte wohl einen
    der seltsamen heidnischen Namen, Floriva, Daïna, Dauri-
    tia oder einen ähnlichen haben können, wie sie in walachi-
    schen Familien noch vielfach bevorzugt werden. Doch nein,
    sie hieß einfach »Miriota«, das heißt »das Lämmchen«. Die-
    ses Lämmchen war allerdings im Laufe der Jahre gewachsen
    und jetzt ein schlankes Mädchen von 20 Jahren mit blon-
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    dem Haar und rehbraunen Augen, die so sanft in die Welt
    hinausblickten und ihren lieblichen Gesichtszügen und der
    angenehmen Haltung noch einen weiteren Reiz verliehen. –
    In der Tat, gerade genug, daß sie den bestechendsten Ein-
    druck machte in der schmucken, am Hals, an den Schultern
    und den Handgelenken

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