Das Karpatenschloß
rotabgestickten Leibwäsche, der
doppelten, rot und blau gestreiften, an der Taille befestigten
Schürze, den niedlichen gelbledernen Stiefeln, dem leich-
ten, geschickt geordneten Kopftuch, und den langen, dicken
Zöpfen, deren Geflecht mit einem roten Band und einzel-
nen Metallflittern verziert war.
Ja, sie galt nicht zu Unrecht für ein schönes Mädchen, die
Miriota Koltz, noch dazu, da sie – gewiß kein Fehler – für
dieses im Grunde der Karpaten verlorene Dorf obendrein
noch reich zu nennen war. Wirtschaftlich mußte sie ja wohl
auch sein, da sie das Hauswesen ihres Vaters schon längere
Zeit tadellos führte. Gebildet? Oh, in der Schule des Magis-
ter Hermod hatte sie lesen, schreiben und rechnen gelernt,
und sie rechnet, schreibt und liest ohne Fehler; weiter ist
sie allerdings nicht gekommen – wozu auch? Dagegen ist
sie vertraut mit den Fabeln und Sagen Transsilvaniens, von
denen sie ebenso viel zu erzählen weiß, wie ihre Lehrer. Sie
kennt die Legende von Leany-Kö, dem Felsen der Jungfrau,
wo eine junge, etwas phantastische Fürstentochter sich den
Nachstellungen der Tataren zu entziehen wußte; die Sage
der Drachengrotte im Tal der »Königsstufe«; die von der
Festung Deva, die »zur Zeit der Feen« erbaut wurde; die Le-
gende der Detunata, der »Blitzgetroffenen«, jenes berühm-
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ten Basaltbergs in der Gestalt einer riesigen Geige, auf de-
ren Saiten der Gottseibeiuns in Sturm- und Wetternächten
zum Tanz aufspielt; die des Retyezat mit seinem von einer
Hexe rasierten Gipfel; die Sage vom Tordapaß, den der hei-
lige Ladislaus dereinst durch einen gewaltigen Schwerthieb
öffnete. Miriota schenkte all diesen Erdichtungen vollen
Glauben, deshalb blieb sie aber doch ein reizendes liebens-
wertes Mädchen.
Daß sie vielen jungen Burschen des Landes ausnehmend
gefiel, ist nicht zu verwundern, und dabei dachten diese
noch kaum daran, daß sie die einzige Erbin des Biró Koltz,
des ersten Gemeindebeamten von Werst war. Übrigens hatte
es keinen Zweck, ihr den Hof zu machen, denn sie war Ni-
colas Decks erklärte Verlobte. Dieser Nicolas oder vielmehr
Nic Deck war ein hübscher Rumäne von 25 Jahren, ziem-
lich groß, von kräftigem Körperbau, der den Kopf gerade
aufrecht trug. Er hatte schwarzes Haar, das der weiße Kol-
pak bedeckte, einen offenen Blick, trug eine ausgeschnit-
tene, mit Stickereien verzierte Weste aus Lammleder, dabei
zeigte er fein geformte Glieder, – die Beine eines Hirsches –
und in Gang und sonstigen Bewegungen eine unleugbare
Entschlossenheit des Charakters. Von Beruf war er Förster,
das heißt ebensosehr Militär wie Zivilist. Da er in der Um-
gebung von Werst einiges Ackerland sein eigen nannte, ge-
fiel er dem Vater, und da er sich als liebenswürdiger jun-
ger Mann mit einem gewissen Stolz zeigte, noch mehr der
Tochter, die übrigens niemand hätte versuchen sollen, ihm
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abwendig zu machen oder nur mit verlangendem Auge an-
zusehen.
Die Hochzeit von Nic Deck und Miriota Koltz sollte –
noch fehlten 14 Tage an der festgesetzten Zeit – etwa in
der Mitte des nächsten Monats gefeiert werden. Bei dieser
Gelegenheit gab’s natürlich ein Fest fürs ganze Dorf. Meis-
ter Koltz würde seine Sache schon machen, geizig war er ja
nicht. Wenn er es liebte, Geld zu verdienen, so wehrte er sich
auch nicht, es bei passender Gelegenheit auszugeben. Nach
der Trauung sollte Nic Deck mit im Familienhaus wohnen,
das ihm von dem Biró dereinst zufallen mußte, und wenn
dann Miriota ihn neben sich wußte, dann fürchtete sie sich
gewiß nicht mehr, daß, wenn sie eine Tür auffällig knarren
hörte oder ein Möbelstück in den langen Winternächten ei-
nen Sprung erhielt, dann irgendein aus ihren Lieblingssa-
gen entsprungenes Gespenst ihr seine Aufwartung machen
wollte.
Um die Liste der Notablen von Werst zu vervollständi-
gen, müssen wir noch zwei, und zwar die nicht am wenigs-
ten wichtigen Personen anführen – nämlich den Lehrer und
den Arzt.
Der Magister Hermod war ein langer Mann mit Brille,
zählte 55 Jahre und hatte stets das gebogene Mundstück
seiner Pfeife mit Porzellankopf zwischen den Lippen; die
etwas dünn gewordenen Haare standen wie Borsten von
dem ziemlich flachen Schädel ab. Das sonst glatte Gesicht
zeigt auf der linken Wange eine kleine Narbe. Seine Haupt-
beschäftigung lief darauf hinaus, daß er die Federn seiner
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Schüler schnitt,
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