Das Karpatenschloß
besser dar-
auf, Feuer anzuzünden als es zu löschen!«
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Auf diese Erklärung hin versuchte jedermann den Rauch
an der Spitze des Wartturms zu entdecken. Schließlich be-
stätigten die meisten, daß sie ihn ganz deutlich gesehen hät-
ten, obgleich er bei der weiten Entfernung auf keinen Fall
wahrzunehmen war.
Die Wirkung dieser merkwürdigen Erscheinung über-
stieg alles, was man sich nur denken konnte. Wir müssen
hierbei noch ein wenig verweilen. Der Leser versuche bitte,
sich in die Geistesverfassung zu versetzen, wie sie sich bei
den Bewohnern von Werst vorfindet, dann wird er nicht
mehr über das staunen, was im weiteren Verlauf dieser Er-
zählung berichtet wird. Er soll selbstverständlich nicht an
Übernatürliches glauben lernen, sich aber daran erinnern,
daß die hiesige unwissende Bevölkerung daran glaubte. An
das Mißtrauen, mit dem das Karpatenschloß bisher betrach-
tet worden war, solange es noch als völlig verlassen galt,
knüpfte sich nun, da es bewohnt und – großer Gott! – von
welcher Art Wesen bewohnt war, noch der bleiche Schre-
cken.
In Werst gab es einen Versammlungsort, den durstige
Seelen gern aufsuchten, wo jedoch auch andere, die gar
nichts tranken, nach getanem Tagwerk gern ein Weilchen
von ihren Angelegenheiten plauderten. Die Letztgenannten
waren natürlich in geringerer Zahl vertreten. Dieses allen
offenstehende Lokal war der Haupt- oder richtiger, der ein-
zige Gasthof des Dorfs.
Als Eigentümer bewirtschaftete ihn ein Jude namens
Jonas, ein wackerer Mann von etwa 60 Jahren, mit freund-
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lichem Gesicht, das aber an den schwarzen Augen, der Ad-
lernase, den vorstehenden Lippen, den schlichten Haaren
und dem traditionellen Spitzbart auf den ersten Blick den
Semiten erkennen ließ. Unterwürfig und gefällig, lieh er an
diesen und jenen willig kleinere Summen aus, ohne dafür
Wucherzinsen zu nehmen, wenn er auch etwas streng dar-
auf achtete, zum festgesetzten Termin sein Geld von dem
Entleiher zurückzubekommen. Gebe der Himmel, daß die
im transsilvanischen Land ansässigen Juden alle so ehren-
haft und wohlwollend wären, wie der Gastwirt zu Werst!
Leider bildet dieser vortreffliche Jonas eine Ausnahme.
Seine Glaubensgenossen und seine Geschäftskollegen –
denn diese sind als Gast- und Schankwirte, die Getränke
und Spezereien verkaufen – betreiben das Nebengeschäft
als Geldverleiher mit einer für die Zukunft des rumäni-
schen Bauers beunruhigenden Härte, so daß man gewiß
noch Grund und Boden aus den Händen der Einheimi-
schen in die der eingewanderten Rasse wird übergehen se-
hen. Da sie ihre gemachten Vorschüsse so gut wie niemals
zurückerhalten, werden die Juden eben zu Eigentümern der
Schänken oder der von Hypotheken erstickten Ländereien,
und wenn das gelobte Land nicht mehr Judäa ist, so kann
es eines Tages wohl auf den Landkarten von Siebenbürgen
verzeichnet stehen.
Der Gasthof zum ›König Mathias‹ – so nennt sich das
Haus – nahm auch eine Ecke der Dorfstraße von Werst
durchschneidenden Terrasse, dem Haus des Biró gegenüber
ein. Es war ein altes, halb hölzernes, halb steinernes Bau-
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werk, das an vielen Stellen geflickt, aber von reichem Grün
überzogen und im ganzen recht anheimelnd anzusehen
war. Es bestand aus einem Erdgeschoß mit einer nach der
Terrasse führenden Glastür. Im Innern gelangte man erst
in einen geräumigen Saal, der mit Tischen für die Gläser
und mit Schemeln für die Gäste versehen war, außerdem
einen Schanktisch aus wurmzerfressenem Holz, auf dem
Töpfe, Schüsseln und sonstiges Geschirr standen, und eine
Schranke aus schwarzem Holz enthielt, hinter der Jonas zur
Verfügung seiner Gäste stand.
Die nötige Beleuchtung erhielt die große Gaststube
durch zwei Fenster, die an der Vorderwand auf die Ter-
rasse hinausgingen, und durch zwei andere diesen gegen-
über an der Hinterwand. Von diesen beiden war das eine
äußerlich durch einen dichten Vorhang von Schling- und
Hängepflanzen verschlossen, so daß es nur ein wenig gebro-
chenes Licht eindringen ließ. Das andere bot, wenn man es
öffnete, einen herrlichen Ausblick über das ganze untere Tal
des Vulcan. Ein wenig unterhalb des Taleinschnitts schos-
sen die polternden Wellen eines Bergbachs, des Nyad, da-
her; auf der einen Seite stürzte dieser Bach den Abhang des
Mittelbergs hinunter, da seine Quelle auf der Höhe des Pla-
teaus von
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