Das Karpatenschloß
kräftigen jungen Förster, so
konnte doch der Doktor Patak mit seinen kurzen Beinen
und seinem Schmerbäuchlein, der außerdem auch schon
ganz außer Atem war, dann und wann einen Sturz nicht ver-
meiden, so daß ihm jener zu Hilfe eilen mußte.
»Ihr seht, Nic, daß ich mir zu guter letzt noch ein Bein
breche!« jammerte er wiederholt.
»Na, dann kuriert Ihr Euch einmal selbst.«
»Ich bitte Euch, junger Mann, seid vernünftig. Man soll
nicht gegen das Unmögliche anzukämpfen streben!«
Da war Nic Deck aber schon lange wieder ein Stück vo-
raus, und der Doktor, der nichts bei ihm ausrichten konnte,
beeilte sich, ihn wieder einzuholen.
Es wäre schwierig gewesen, sich Rechenschaft zu geben,
ob die bisher eingehaltene Richtung die richtige war, um zur
Burg zu gelangen. Da der Erdboden jedoch immer wieder
anstieg, konnte man ja hoffen, zum Waldrand zu kommen,
der dann wirklich um 3 Uhr nachmittags erreicht wurde.
Über diesen hinaus und bis zur Hochfläche des Orgall
erstreckte sich der Vorhang grüner Bäume, die immer we-
niger eng standen, je steiler der Boden aufstieg.
Hier wurde auch der Nyad zwischen den Felsen wieder
sichtbar, der sich also mehr nach Nordwesten gewendet
hatte oder auf den zu Nic Deck marschiert sein mochte.
Das bestätigte dem jungen Förster, daß er den nächsten
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Weg eingeschlagen hatte, da der Bach aus den Felsenspalten
jener Hochfläche zu entspringen schien.
Nic Deck konnte dem Doktor eine Stunde Rast am Ufer
des Bachs nicht abschlagen. Übrigens verlangte der Ma-
gen jetzt ebenso gebieterisch sein Recht wie die Beine. Die
Rucksäcke waren wohlversorgt, der Rakiou füllte die Kür-
bisflasche des Doktors und von Nic Deck bis zum Pfropfen.
Daneben murmelte noch ein frisches, klares, an den Kieseln
des Bachs filtriertes Quellwasser wenige Schritte unter ih-
nen dahin. Was konnte man mehr wünschen? Hatten sich
die beiden Männer viel zugemutet, so mußten sie sich jetzt
auch wieder ordentlich stärken.
Seit dem Aufbruch hatte der Doktor kaum Muße gehabt,
mit Nic Deck, der immer voraus war, ein Wort zu wechseln.
Jetzt, als sie am Ufer des Nyad saßen, hielt er sich aber da-
für schadlos. War der eine wenig redselig, so schwatzte we-
nigstens der andere nur allzu gern. Es versteht sich also von
selbst, daß von letzterer Seite viele weitschweifige Fragen
gestellt, von der andern aber nur kurz beantwortet wurden.
»Sprechen wir ein wenig, Förster, und sprechen wir ein
ernstes Wort«, begann der Doktor.
»Ich höre«, sagte Nic Deck.
»Ich meine, wenn wir hier halt gemacht haben, so ge-
schah das, um neue Kräfte zu gewinnen.«
»Völlig richtig.«
»Ehe wir nach Werst zurückkehren?«
»Nein, ehe wir zur Burg weitergehen.«
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»Ich bitte Euch, Nic Deck, nun sind wir bereits 6 Stunden
unterwegs und haben kaum die Hälfte zurückgelegt.«
»Ein Beweis, daß wir keine Zeit zu verlieren haben.«
»Es wird aber die Nacht kommen, ehe wir vor dem
Schloß stehen, und ich meine, Förster, Ihr werdet nicht ver-
rückt genug sein, das zu wagen, ohne klar sehen zu können;
wir müssen dann den Tag abwarten.«
»Nun ja, dann warten wir eben.«
»Ihr wollt also nicht auf dieses Vorhaben verzichten, das
doch eigentlich keinen Sinn und Verstand hat?«
»Nein.«
»Wirklich! Hier sitzen wir nun, völlig entkräftet, brau-
chen einen gut besetzten Tisch in einer gemütlichen Stube,
und ein weiches Bett in stiller Kammer, und Ihr wollt die
Nacht unter freiem Himmel zubringen?«
»Jawohl, wenigstens dann, wenn irgend etwas uns hin-
dert, durch die Umfassungsmauer des Schlosses zu gelan-
gen.«
»Und wenn es kein solches Hindernis gibt?«
»Dann schlafen wir in einem Zimmer des Wartturms.«
»In einem Zimmer des Wartturms!« rief Doktor Patak.
»Ihr glaubt, Förster, daß ich zustimmen würde, eine Nacht
im Innern des verhexten Schlosses zu verbringen?«
»Natürlich, wenn Ihr nicht etwa vorzieht, allein draußen
zu bleiben.«
»Allein, Förster! Das ist gegen die Absprache; doch wenn
wir uns trennen müssen, würd’ ich es lieber sehen, es ge-
schähe hier, damit ich noch zum Dorf zurückkehren kann.«
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»Verabredet, Doktor Patak, ist nur, daß Ihr mir folgen
werdet, wohin ich auch gehe.«
»Am Tag, ja; in der Nacht, nein.«
»Nun, meinetwegen, es steht Euch frei zu gehen; achtet
aber darauf, Euch im Dickicht nicht zu verirren.«
Sich zu verirren, das beunruhigte den Doktor am
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