Das Karpatenschloß
widersprach der Doktor mit Entschiedenheit,
»das werdet Ihr nicht tun, Nic. – Ich würde Euch schon da-
ran zu hindern wissen.«
»Ihr?«
»Ich hänge mich an Euch an. Ich zerre Euch zurück.
Schlage auf Euch los, wenn’s sein muß.«
Er wußte nicht mehr, was er sagte, der unglückliche Pa-
tak.Nic Deck hatte diese Redereien gar keiner Antwort ge-
würdigt, und nachdem er sich die Flinte wieder umgehängt
hatte, machte er einige Schritte au das Ufer des Nyad zu.
»Wartet doch, wartet doch nur!« rief der Doktor kläg-
lich. »Ein wahrer Teufelskerl! Nur noch einen Augenblick!
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Mir sind ja die Beine ganz steif. Meine Gelenke bewegen
sich nicht.«
Die Gelenke verloren ihre Unbeweglichkeit jedoch sehr
bald, denn der Ex-Krankenpfleger mußte sich mit seinen
kurzen Beinen wohl oder übel zwingen, dem Förster nach-
zulaufen, der sich nicht einmal nach seinem jammernden
Gefährten umdrehte.
Es war jetzt 4 Uhr. Über den Kamm des Plesa, der sie
bald ganz aufhalten sollte, hinstreichend, beleuchteten die
Sonnenstrahlen nur noch das hohe Gezweig des Tannen-
walds. Nic Deck hatte alle Ursache, schnell vorwärts zu
kommen, denn unter den Bäumen wurde es, wenn der Tag
zur Neige ging, sehr bald ganz dunkel.
Diese Wälder mit den gewöhnlichen alpinen Baumarten
bieten einen merkwürdigen und seltsamen Anblick. Statt
der schiefen, gekrümmten, wirr verzweigten Bäume wei-
ter unten, streben hier gerade, vereinzelt bis 50 und 60 Fuß
über der Wurzel nackte Stämme empor, die nirgends einen
Astknoten aufweisen und ihre immergrünen Kronen wie
eine flache Decke ausbreiten. Weder Gebüsch noch Gräser
umhüllen ihren Fuß. Ihre Wurzeln kriechen auf der Erde
hin, wie von der Kälte erstarrte Schlangen. Der Erdboden
selbst ist nur mit gelblichem, glattem Moos bedeckt, da und
dort mit verdorrtem Reisig bestreut, sowie mit einzelnen
abgefallenen Tannenzapfen, die knirschend unter dem Fuß
des Wanderers brechen. Dazu der steile und von kristallini-
schem Gestein durchsetzte Abhang, an dem sich die beste
Ledersohle schnell abnutzt. Der Weg durch diesen Tannen-
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wald gestaltete sich denn auch auf eine Viertelmeile weit
recht ermüdend. Um die ihn gelegentlich versperrenden
Felsblöcke zu erklimmen, bedurfte es einer Geschmeidig-
keit des Körpers, einer Kraft der Schenkel, und einer Sicher-
heit in der Beherrschung aller Glieder, die dem Doktor Pa-
tak leider nicht eigen waren. Wenn Nic Deck für sich allein
eine Stunde zur Überwindung dieser schwierigen Strecke
gebraucht hätte, so kostete es ihn nun drei mit dem »An-
hängsel« seines Genossen, da er wiederholt stehenbleiben
mußte, um auf ihn zu warten, oder ihm dabei zu helfen, ein
für seine kurzen Beine zu hohes Felsstück zu erklimmen.
Der Doktor hatte nur eine Furcht – eine entsetzliche Furcht,
nämlich die, in dieser trostlosen Einöde allein zurückzu-
bleiben. War der Bergabhang auch schwieriger zu ersteigen,
so standen dafür nah beim Scheitel des Plesa wenigstens die
Bäume nicht mehr so dicht. Sie bildeten nur noch verein-
zelte Gruppen von mäßigem Umfang. Zwischen ihnen hin-
durch erblickte man schon die Linie der Gebirgszüge, die
sich am Horizont abzeichneten und noch den aufsteigen-
den Abendnebel überragten.
Der Nyad, dessen Verlauf der Förster bisher gefolgt war
und den hier nur eine schwache Wasserader belebte, mußte
in geringer Entfernung entspringen. Wenige hundert Fuß
über den letzten beiden Stufen dehnte sich die Hochfläche
des Orgall aus, die vom Gemäuer der Burg gekrönt war.
Nachdem sich beide noch einmal tüchtig ins Zeug gelegt
hatten, erreichte Nic Deck endlich diese Fläche, bei der der
Doktor jedoch nur noch als leblose Masse ankam. Der arme
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Mann hätte sich keine 20 Schritte mehr weiterschleppen
können, und er stürzte jetzt auch zusammen wie der Stier,
der unter dem Axthieb des Fleischers fällt.
Nic Deck fühlte sich durch den beschwerlichen Aufstieg
kaum ermüdet. Hoch aufgerichtet stand er da und ver-
schlang mit Blicken das Karpatenschloß, dem er sich noch
niemals so sehr genähert hatte.
Vor ihm lag die Umfassungsmauer mit ihren Zinnen,
selbst wieder verteidigt durch einen tiefen Wallgraben, des-
sen einzige Brücke nach dem Tor zu aufgezogen war, das ein
Torbogen aus großen Quadersteinen umrahmte.
In der nächsten Umgebung auf der ganzen Hochfläche
des Orgall war alles still und leer.
Ein letzter
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