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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hätte
    vollkommener formen können. Und diese Frau erblühte
    zur seltensten Künstlerin, zu einer zweiten Malibran, von
    der Musset ebenfalls hätte sagen können: »Auf deiner Töne
    Schwingen flog der Schmerz hinauf zum Himmel!«
    Eine solche Stimme aber, die der allbeliebte Dichter in
    seinen unsterblichen Stanzen gefeiert hat: » ... des Her-
    zens eigne Stimme, die allein zum anderen Herzen dringt«,
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    eine solche Stimme war die La Stillas in ihrer ganzen unbe-
    schreiblichen Herrlichkeit.
    Die große Künstlerin, die mit so unnachahmlicher Treue
    die Töne der zärtlichen Liebe, der mächtigsten Seelenerre-
    gungen wiedergab, hatte – wie man allgemein behauptete –
    im eigenen Herzen doch noch nie deren himmlische Macht
    verspürt. Noch nie hatte sie geliebt, nie mit dem Auge einen
    jener Tausende von Blicken beantwortet, die auf der Bühne
    unausgesetzt an ihr hingen. Es schien, als lebte sie nur in ih-
    rer Kunst, einzig und allein für diese.
    Gleich beim ersten Mal, wo Franz La Stilla sah, fühlte er
    sich von dem unwiderstehlichen Zwang einer ersten Liebe
    zu ihr hingezogen. Sofort beschloß er, unter Verzicht auf
    sein Vorhaben, nach dem Besuch Siziliens Italien endgültig
    zu verlassen, jetzt bis zum Schluß der Saison in Neapel zu
    bleiben. Als ob ein unsichtbares Band, das er nicht zu spren-
    gen vermochte, ihn an die Sängerin fesselte, wohnte er allen
    Vorstellungen bei, worin sie auftrat und die eine maßlose
    Begeisterung der Zuhörer stets zu wirklichen Triumphen
    gestaltete. Mehrmals, wenn er seine Leidenschaft nicht zu
    meistern imstande war, hatte er versucht, bei La Stilla Zu-
    tritt zu erlangen; deren Tür blieb jedoch für ihn, wie für
    andere fanatische Anbeter der Künstlerin, unerbittlich ge-
    schlossen.
    Der junge Graf verfiel hierdurch erklärlicherweise bald
    einem recht beklagenswerten Zustand. Da er nur noch an
    La Stillas dachte, nur lebte, um sie zu sehen und zu hören,
    ohne daß es ihm einfiel, in der Gesellschaft sonstige Ver-
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    bindungen zu suchen, zu denen ihn Name und Geburt ei-
    gentlich fast verpflichteten, wurde seine Gesundheit infolge
    jener unablässigen Spannung des Herzens und des Geistes
    bald ernsthaft erschüttert. Was würde er erst gelitten ha-
    ben, wenn er gar noch einen Rivalen gehabt hätte! Doch er
    wußte ja, daß ein derartiger Verdacht grundlos wäre – sogar
    bezüglich einer seltsamen Persönlichkeit, die wir hier etwas
    eingehender zeichnen müssen, weil sie in den Verlauf dieser
    Erzählung bedeutungsvoll eingreift.
    Es war das zur Zeit der letzten Reise Franz von Teleks
    nach Neapel ein Mann von 55 Jahren – für so alt schätzte
    man ihn wenigstens allgemein. Diese sehr verschlossene
    Persönlichkeit schien die in den höheren Klassen geltenden
    gesellschaftlichen Forderungen völlig zu verachten. Nie-
    mand erfuhr etwas von seiner Familie, von seiner Stellung
    oder Vergangenheit. Man sah den Mann heute in Rom und
    morgen in Florenz, doch, wie deutlich zu merken war, nur
    je nachdem La Stilla in Rom oder in Florenz auftrat. Man
    kannte von ihm nur eine Leidenschaft: die berühmte Pri-
    madonna zu hören, die damals den allerersten Platz in der
    Gesangskunst innehatte.
    Lebte Franz von Telek für La Stilla erst seit dem Tag, wo
    er sie in jenem Theater Neapels gesehen hatte, so lebte jener
    exzentrische Kunstfreund schon seit 6 Jahren nur dafür, sie
    zu hören, und es schien wirklich, als sei die Stimme der Sän-
    gerin für seine Existenz ebenso notwendig geworden, wie
    die Luft, die er atmete. Dabei hatte er ihr niemals anderswo
    zu begegnen gesucht als auf der Bühne; niemals sich ihr
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    vorgestellt oder sich schriftlich an sie gewendet. Jedesmal
    aber, wenn La Stilla in einem beliebigen Theater Italiens
    singen sollte, sah man dort einen hochgewachsenen Mann
    mit langem dunklen Überrock und einem das Gesicht be-
    schattenden Hut eintreten. Dieser Mann nahm schleunigst
    in einer vorher für ihn bestellten vergitterten Loge Platz.
    Hier blieb er abgeschlossen, einsam und schweigend wäh-
    rend der ganzen Vorstellung sitzen. Sobald aber La Stillas
    letzte Töne verklungen waren, eilte er davon, ohne daß ir-
    gendein anderer Sänger oder eine andere Sängerin ihn hätte
    zurückhalten können; er hätte diesen überhaupt kein Ohr
    geliehen.
    Vergebens hatte La Stilla zu erfahren gesucht, wer dieser
    übereifrige Bewunderer ihrer Leistungen wohl sein möge.
    Bei ihrer sehr empfindsamen Natur erschrak sie

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