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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ausgereifter Schönheit, auf dem Gipfel
    des Künstlerruhms – war es da möglich, daß sie schon an
    einen Rücktritt nur denken konnte?
    So unwahrscheinlich das schien, war es doch begrün-
    det, und ohne daß er etwas davon ahnte, verschuldete die-
    sen Entschluß zum Teil wenigstens der unselige Baron von
    Gortz.
    Dieser Zuhörer mit seinem geheimnisvollen Verhalten,
    der, wenn auch in der vergitterten Loge unsichtbar, doch
    stets anwesend war, hatte in La Stilla endlich eine fortdau-
    ernde nervöse Überreizung erzeugt, der sich die Sängerin
    nicht mehr zu wehren vermochte. Von ihrem ersten Er-
    scheinen auf der Szene fühlte sie sich von diesem, übrigens
    auch für die Zuschauer wahrnehmbaren Seelenleiden tief
    bedrückt, und das hatte allmählich ihre Gesundheit unter-
    graben. Ein Fortgehen von Neapel, eine Flucht nach Rom,
    Venedig oder einer anderen Stadt der Halbinsel hätte, das
    wußte sie, auch nicht genügt, den Baron von Gortz aus ihrer
    Nähe zu scheuchen. Sie hätte ihm sicherlich nicht auch ent-
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    kommen können, wenn sie sich von Italien aus etwa nach
    Deutschland, Rußland oder Frankreich begeben hätte. Er
    folgte ihr doch überall hin, wo ihre Stimme erklang, und so
    sah sie eine Befreiung von diesem lästigen Verfolger nur in
    dem völligen Aufgeben ihrer Bühnentätigkeit.
    Schon 2 Monate, bevor sich das Gerücht von ihrem
    Rücktritt verbreitete, hatte Franz von Telek sich der Sänge-
    rin gegenüber zu einem Schritt entschlossen, dessen weitere
    Folgen unglücklicherweise die verderblichste Katastrophe
    herbeiführen sollten. Persönlich völlig frei und Herr eines
    sehr beträchtlichen Vermögens, hatte er einmal Zutritt bei
    ihr erlangt und ihr da angeboten, Gräfin von Telek zu wer-
    den.La Stilla kannte übrigens schon seit einiger Zeit die Emp-
    findungen, die sie dem jungen Grafen einflößte. Sie hatte
    sich auch gestanden, daß dieser ein Mann war, dem jede
    Frau – selbst aus den höchsten Kreisen – ihr Lebensglück
    getrost anvertrauen konnte. Derartigen Gedanken hing sie
    eben nach, als Franz von Telek ihr seinen Namen anbot, und
    sie nahm das mit warmem Entgegenkommen an, das sie gar
    nicht zu verbergen suchte. Mit vollem Vertrauen auf seine
    Gefühle stimmte sie zu, die Gattin des Grafen Telek zu wer-
    den, ohne die Unterbrechung der künstlerischen Laufbahn
    zu beklagen.
    Die große Neuigkeit bestätigte sich also, La Stilla sollte
    nach dem Ende der Spielzeit im San Carlo auf keiner Bühne
    mehr erscheinen. Ihre Vermählung, die man bisher nur ver-
    mutete, wurde jetzt als sicher hingestellt.
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    Natürlich brachte das eine wunderbare Wirkung nicht
    nur in den Künstlerkreisen, sondern überhaupt in der vor-
    nehmen Welt Italiens hervor. Hatte man zuerst an die Ver-
    wirklichung eines solchen Vorhabens nicht glauben wollen,
    mußte man sich nun der Tatsache fügen. Eifersucht und
    Haß erwachten gegen den fremden jungen Grafen, der
    die größte Sängerin der damaligen Zeit ihrer Kunst, ihren
    Erfolgen und der Vergötterung durch alle Theaterfreunde
    abwendig machte. Ja, es kam sogar zu persönlichen Dro-
    hungen gegen Franz von Telek, um die sich der junge Mann
    jedoch nicht im geringsten kümmerte.
    Wenn eine solche Aufregung in weiten Kreisen herrschte,
    kann man sich wohl vorstellen, was Rudolph von Gortz bei
    dem Gedanken empfinden mußte, daß La Stilla ihm ent-
    rissen werden, daß er damit alles verlieren sollte, was ihn
    an das Leben fesselte. Man raunte sich schon zu, daß er
    mit Selbstmordgedanken umgehe. Gewiß war nur das eine,
    daß man Orfanik nicht länger in den Straßen Neapels um-
    herwandern sah. Er wich nicht mehr von Baron Rudolphs
    Seite, erschien dagegen sogar mehrmals mit in der Loge des
    San Carlo, die der Baron für jede Opernvorstellung belegt
    hatte – und das war dem Mann niemals begegnet, da die-
    sem, wie so vielen anderen Gelehrten, für den Reiz der Mu-
    sik jedes Verständnis fehlte.
    Inzwischen verstrich ein Tag nach dem andern, die Erre-
    gung beruhigte sich aber nicht, ja sie erreichte ihren Höhe-
    punkt an dem Abend, wo La Stilla zum letzten Mal auftreten
    sollte. In der prächtigen Rolle der Angelica, im ›Orlando‹,
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    dem schönsten Werk des Maestro Arconati, gedachte sie
    den Zuhörern das letzte Lebewohl zu sagen.
    An dem betreffenden Abend erwies sich das San Carlo-
    Theater um das Zehnfache zu klein für all die Scharen, die
    sich vor seinen Pforten drängten und deren größter

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