Das Karpatenschloß
durch
Franz von Telek entgegen.
Dieser antwortete darauf ruhigen Tones folgendes: »Al-
les, was ich bis jetzt gehört habe, erscheint mir, ich wieder-
hole es, höchst einfacher Natur. Zweifelhaft ist für mich je-
doch nicht, daß das Karpatenschloß jetzt Bewohner hat.
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Welche, weiß ich natürlich nicht. Jedenfalls sind das aber
keine Geister sondern Leute, die, nachdem sie sich dorthin
geflüchtet, guten Grund haben mögen, sich zu verbergen,
wahrscheinlich irgendwelche Verbrecher.«
»Was, Verbrecher?« rief Meister Koltz.
»Das ist sehr leicht möglich, und da sie nicht zur Verant-
wortung gezogen werden möchten, haben sie das Märchen
verbreitet, daß die Burg von übernatürlichen Wesen verzau-
bert ist.«
»Wie, Herr Graf«, ließ Meister Hermod sich vernehmen,
»Sie denken ...«
»Ich denke, daß das Land hier sehr abergläubisch ist, daß
die Insassen des Schlosses davon Kenntnis haben, und daß
sie auf diese Weise die Besuche ihnen ungelegener Leute ab-
zuhalten trachten.«
Es hatte ja viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß sich die
Sache so verhielt. Niemand wird aber darüber staunen, daß
die Leute in Werst eine solche Erklärung nicht anerkennen
wollten.
Der junge Graf sah wohl ein, daß er aus dieser Zuhörer-
schaft, die sich nicht überzeugen lassen wollte, keinen zu
vernünftigerer Anschauung bekehrt hatte. So begnügte er
sich denn hinzuzufügen: »Da Sie alle für meine Vernunft-
gründe unzugänglich sind, meine Herren, glauben Sie mei-
netwegen über das Karpatenschloß alles, was Ihnen be-
liebt.«
»Wir glauben, was wir gesehen haben, Herr Graf«, ant-
wortete Meister Koltz.
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»Und was wirklich der Fall war und ist«, fügte der Ma-
gister hinzu.
»Schön; doch wahrlich, ich beklage, nicht über 24 Stun-
den verfügen zu können, denn sonst wäre ich mit Rotzko
ausgezogen, Ihre berüchtigte Burg näher in Augenschein zu
nehmen, und ich gebe Ihnen die bestimmte Versicherung,
es würde nicht lange gedauert haben, ehe wir wußten, wo-
ran wir uns zu halten hätten.«
»Die Burg besuchen!« rief Meister Koltz.
»Ohne Zögern; und der Teufel in eigener Person sollte
uns nicht gehindert haben, durch die Umwallung zu kom-
men.«
Als sie Franz von Telek in so bestimmter, ja in spöttischer
Weise reden hörten, packte alle neues Entsetzen. Wenn die
Geister des Schlosses in dieser Weise behandelt wurden,
mußte das ja dem Dorf neues Unglück zuziehen. Die Geis-
ter hörten doch ohne Zweifel jedes Wort, das hier im ›König
Mathias‹ gesprochen wurde; und schon waren alle darauf
gespannt, daß die unbekannte Stimme noch einmal zu hö-
ren sein würde.
Bei dieser Gelegenheit berichtete Meister Koltz noch
dem jungen Grafen, unter welchen Umständen der Förs-
ter unter Nennung seines Namens mit greulicher Strafe be-
droht worden war, wenn er es unternähme, die Geheimnisse
der Burg zu entschleiern.
Franz von Telek zuckte dazu nur mit den Achseln, dann
stand er auf mit den Worten, daß in dieser Gaststube nie-
mals eine Stimme – wie man es behauptete – zu hören ge-
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wesen sei. All das bestehe nur in der Einbildung der gar zu
leichtgläubigen und vielleicht dem Schnaps des ›König Ma-
thias‹ etwas zu sehr huldigenden Kunden des Wirtshauses.
Daraufhin wandten sich schon einige zur Tür, da sie es
nicht länger duldete, weiter in einem Raum zu verweilen,
wo dieser junge Zweifler derartige Sachen vorzubringen
wagte.
Franz von Telek hielt sie durch einen Wink zurück.
»Ganz entschieden, meine Herren«, sagte er, »erkenne
ich, daß das Dorf hier unter der Herrschaft bleicher Furcht
steht.«
»Und das nicht ohne Ursache, Herr Graf«, versicherte
Meister Koltz.
»Nun, da liegt ja das Hilfsmittel auf der Hand, dem He-
xentreiben, das Ihrer Meinung nach im Karpatenschloß vor
sich geht, ein baldiges Ende zu machen. Übermorgen werde
ich in Karlsburg sein, und wenn Sie wünschen, erstatte ich
einen Bericht an die Behörden der Stadt. Da wird man eine
Abteilung Gendarmen oder Polizisten hierher senden, und
ich stehe Ihnen dafür ein, die werden schon in die Burg ein-
zudringen wissen, um die Spaßvögel auszutreiben, die mit
Ihrer Leichtgläubigkeit ihr Wesen treiben, oder um die Ver-
brecher zu verhaften, die vielleicht einen schlimmen Streich
vorbereiten.«
Dieser Vorschlag erschien gewiß annehmbar, war aber
doch nicht ganz nach dem Sinn der Notablen von Werst.
Ihrer Meinung
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