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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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diese seltsame Verkettung
    von Abenteuern, die für das Dorf von keiner guten Vorbe-
    deutung schien.
    Würde der junge Graf nun, wo er den Besitzer des Kar-
    patenschlosses kannte, sein Versprechen halten? Würde er,
    in Karlsburg angelangt, die Behörden von allem informie-
    ren und ihr Eingreifen erbitten? Diese Frage legten sich der
    Biró, der Schulmeister, der Doktor Patak und auch die an-
    deren vor. Jedenfalls war, wenn jener das unterließ, Meister
    Koltz entschlossen, es zu tun. Die Polizei sollte Kunde erhal-
    ten, sie würde dann das Schloß durchsuchen lassen, würde
    aufklären, ob hier Geister spukten oder Übeltäter hausten,
    denn lange durfte das Dorf unter der jetzigen Anfechtung
    nicht leiden.
    Den meisten Bewohnern schien das allerdings ein un-
    nützer Versuch, eine wirkungslose Maßnahme zu sein. Wer
    würde den Geistern etwas anhaben können! Dabei mußten
    ja die Säbel der Gendarmen wie Glas zersplittern, und ihre
    Gewehre bei jedem Schuß versagen.
    — 188 —
    Allein in der Gaststube des ›König Mathias‹ zurückge-
    blieben, überließ sich Franz von Telek dem Lauf seiner Er-
    innerungen, die der Name des Baron von Gortz so schmerz-
    lich wieder wachgerufen hatte.
    Nachdem er eine Stunde lang wie geistesabwesend in
    seinem Lehnstuhl gesessen, erhob er sich, verließ das Gast-
    haus, begab sich zum Ende der Terrasse und blickte in die
    Ferne hinaus.
    Auf dem Kamm des Plesa, in der Mitte der Hochfläche
    des Orgall, ragte das Karpatenschloß empor. Hier hatte je-
    ner Sonderling, der tägliche Gast des San Carlo-Theaters,
    also gelebt, jener Mann, der der unglücklichen La Stilla ei-
    nen so unerträglichen Schrecken einflößte. Jetzt mochte die
    Burg wohl verödet, wenigstens der Baron von Gortz seit
    seiner Flucht aus Neapel hierher nicht zurückgekehrt sein.
    Niemand wußte ja, was aus ihm geworden war und ob er
    nach dem Ableben der großen Künstlerin nicht etwa gar
    selbst Hand an sich gelegt hatte.
    Franz durchirrte also ein weites Feld von Vermutungen,
    ohne sich für die eine mehr als für die andere entscheiden
    zu können.
    Andererseits nahm doch das Abenteuer des Försters Nic
    Deck seine Gedanken in gewissem Grad gefangen, und er
    hätte, wäre es auch nur, um die geängstigten Bewohner von
    Werst zu beruhigen, gern das darüber liegende Geheimnis
    entschleiert.
    Da der junge Graf jedoch kaum bezweifelte, daß nur
    Übeltäter das alte Schloß als Versteck gewählt haben dürf-
    — 189 —
    ten, beschloß er, seinem Versprechen nachzukommen
    und durch Benachrichtigung der Karlsburger Polizei den
    schlauen Streichen der Missetäter ein Ende zu bereiten.
    Jedenfalls wollte Franz, ehe er weitere Schritte tat, über
    die betreffenden Vorgänge noch detaillierter informiert
    sein. Das beste erschien ihm, sich deshalb persönlich an
    den jungen Forstmann zu wenden. Gegen 3 Uhr nachmit-
    tags begab er sich also, vor der Rückkehr in den ›König Ma-
    thias‹, zum Haus des Biró.
    Meister Koltz fühlte sich sehr geschmeichelt, ihn emp-
    fangen zu dürfen, einen Edelmann wie den Herrn Grafen
    von Telek, diesen Nachkommen einer vornehmen Familie
    rumänischer Rasse, dem die Dorfschaft für die Wiederer-
    langung ungestörter Ruhe – und auch weiteren Gedeihens –
    verpflichtet sein würde, denn nun kämen voraussichtlich
    wieder mehr Reisende ins Land und entrichteten die üb-
    lichen Wegegelder, ohne etwas von den bösen Geistern im
    Karpatenschloß zu fürchten zu haben usw. usw.
    Franz von Telek dankte Meister Koltz für seine Ehrenbe-
    zeugungen und fragte, ob wohl ein Hindernis vorliege, ihn
    zu Nic Deck zu führen.
    »Nicht das geringste, Herr Graf«, beeilte sich der Biró
    zu antworten. »Dem wackeren jungen Mann geht’s schon
    wieder recht gut und er wird seinen Dienst bald wieder auf-
    nehmen.«
    Dann wandte er sich um.
    »Ist es nicht so, Miriota?« fragte er seine Tochter, die
    eben ins Zimmer trat.
    — 190 —
    »Gott gebe, daß es so werde, Vater!« antwortete Miriota
    bewegt.
    Franz fühlte sich angenehm berührt durch den graziö-
    sen Gruß, den das junge Mädchen an ihn richtete. Da er ihr
    aber eine gewisse Angst bezüglich des Zustands ihres Ver-
    lobten anmerkte, erkundigte er sich vorläufig gleich bei ihr
    nach dessen Befinden.
    »Nach dem, was ich gehört habe«, sagte er, »ist Nic Deck
    nicht ernsthaft verletzt worden?«
    »Nein, Herr Graf«, bestätigte Miriota, »und ich segne
    den Himmel dafür!«
    »Haben Sie denn einen guten Arzt hier in

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