Das Karpatenschloß
diese seltsame Verkettung
von Abenteuern, die für das Dorf von keiner guten Vorbe-
deutung schien.
Würde der junge Graf nun, wo er den Besitzer des Kar-
patenschlosses kannte, sein Versprechen halten? Würde er,
in Karlsburg angelangt, die Behörden von allem informie-
ren und ihr Eingreifen erbitten? Diese Frage legten sich der
Biró, der Schulmeister, der Doktor Patak und auch die an-
deren vor. Jedenfalls war, wenn jener das unterließ, Meister
Koltz entschlossen, es zu tun. Die Polizei sollte Kunde erhal-
ten, sie würde dann das Schloß durchsuchen lassen, würde
aufklären, ob hier Geister spukten oder Übeltäter hausten,
denn lange durfte das Dorf unter der jetzigen Anfechtung
nicht leiden.
Den meisten Bewohnern schien das allerdings ein un-
nützer Versuch, eine wirkungslose Maßnahme zu sein. Wer
würde den Geistern etwas anhaben können! Dabei mußten
ja die Säbel der Gendarmen wie Glas zersplittern, und ihre
Gewehre bei jedem Schuß versagen.
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Allein in der Gaststube des ›König Mathias‹ zurückge-
blieben, überließ sich Franz von Telek dem Lauf seiner Er-
innerungen, die der Name des Baron von Gortz so schmerz-
lich wieder wachgerufen hatte.
Nachdem er eine Stunde lang wie geistesabwesend in
seinem Lehnstuhl gesessen, erhob er sich, verließ das Gast-
haus, begab sich zum Ende der Terrasse und blickte in die
Ferne hinaus.
Auf dem Kamm des Plesa, in der Mitte der Hochfläche
des Orgall, ragte das Karpatenschloß empor. Hier hatte je-
ner Sonderling, der tägliche Gast des San Carlo-Theaters,
also gelebt, jener Mann, der der unglücklichen La Stilla ei-
nen so unerträglichen Schrecken einflößte. Jetzt mochte die
Burg wohl verödet, wenigstens der Baron von Gortz seit
seiner Flucht aus Neapel hierher nicht zurückgekehrt sein.
Niemand wußte ja, was aus ihm geworden war und ob er
nach dem Ableben der großen Künstlerin nicht etwa gar
selbst Hand an sich gelegt hatte.
Franz durchirrte also ein weites Feld von Vermutungen,
ohne sich für die eine mehr als für die andere entscheiden
zu können.
Andererseits nahm doch das Abenteuer des Försters Nic
Deck seine Gedanken in gewissem Grad gefangen, und er
hätte, wäre es auch nur, um die geängstigten Bewohner von
Werst zu beruhigen, gern das darüber liegende Geheimnis
entschleiert.
Da der junge Graf jedoch kaum bezweifelte, daß nur
Übeltäter das alte Schloß als Versteck gewählt haben dürf-
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ten, beschloß er, seinem Versprechen nachzukommen
und durch Benachrichtigung der Karlsburger Polizei den
schlauen Streichen der Missetäter ein Ende zu bereiten.
Jedenfalls wollte Franz, ehe er weitere Schritte tat, über
die betreffenden Vorgänge noch detaillierter informiert
sein. Das beste erschien ihm, sich deshalb persönlich an
den jungen Forstmann zu wenden. Gegen 3 Uhr nachmit-
tags begab er sich also, vor der Rückkehr in den ›König Ma-
thias‹, zum Haus des Biró.
Meister Koltz fühlte sich sehr geschmeichelt, ihn emp-
fangen zu dürfen, einen Edelmann wie den Herrn Grafen
von Telek, diesen Nachkommen einer vornehmen Familie
rumänischer Rasse, dem die Dorfschaft für die Wiederer-
langung ungestörter Ruhe – und auch weiteren Gedeihens –
verpflichtet sein würde, denn nun kämen voraussichtlich
wieder mehr Reisende ins Land und entrichteten die üb-
lichen Wegegelder, ohne etwas von den bösen Geistern im
Karpatenschloß zu fürchten zu haben usw. usw.
Franz von Telek dankte Meister Koltz für seine Ehrenbe-
zeugungen und fragte, ob wohl ein Hindernis vorliege, ihn
zu Nic Deck zu führen.
»Nicht das geringste, Herr Graf«, beeilte sich der Biró
zu antworten. »Dem wackeren jungen Mann geht’s schon
wieder recht gut und er wird seinen Dienst bald wieder auf-
nehmen.«
Dann wandte er sich um.
»Ist es nicht so, Miriota?« fragte er seine Tochter, die
eben ins Zimmer trat.
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»Gott gebe, daß es so werde, Vater!« antwortete Miriota
bewegt.
Franz fühlte sich angenehm berührt durch den graziö-
sen Gruß, den das junge Mädchen an ihn richtete. Da er ihr
aber eine gewisse Angst bezüglich des Zustands ihres Ver-
lobten anmerkte, erkundigte er sich vorläufig gleich bei ihr
nach dessen Befinden.
»Nach dem, was ich gehört habe«, sagte er, »ist Nic Deck
nicht ernsthaft verletzt worden?«
»Nein, Herr Graf«, bestätigte Miriota, »und ich segne
den Himmel dafür!«
»Haben Sie denn einen guten Arzt hier in
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