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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Werst?«
    »Hm!« machte Meister Koltz in einem für den alten
    Krankenpfleger der Quarantäne nicht gerade schmeichel-
    haften Ton.
    »Wir haben den Doktor Patak«, sagte das Mädchen.
    »Den, der Ihren Nic Deck zum Karpatenschloß beglei-
    tet hat?«
    »Jawohl, Herr Graf.«
    »Fräulein Miriota«, fuhr Franz fort, »ich möchte Ihren
    Verlobten in seinem eigenen Interesse selbst zu sehen, um
    von ihm Näheres über sein Abenteuer zu erfahren.«
    »Er wird Ihnen gern alles erzählen, selbst auf die Gefahr
    hin, sich ein wenig anzustrengen.«
    »Oh, ich werde ihn zu schonen wissen, Fräulein Miriota,
    und mich gewiß in acht nehmen, Nic Deck zu schädigen.«
    »Das weiß ich, Herr Graf.«
    »Wann soll denn Ihre Hochzeit stattfinden?«
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    »In etwa 14 Tagen«, ließ sich der Biró vernehmen.
    »Dann werde ich das Vergnügen haben, ihr beizuwohnen,
    wenn’s dem Meister Koltz beliebt, mich einzuladen ...«
    »Ach, Herr Graf, eine solche Ehre ...«
    »Nach 14 Tagen also; das ist nun abgemacht; ich hoffe,
    Nic Deck wird völlig geheilt sein, sobald er sich hat gestat-
    ten können, mit seinem schönen Bräutchen nur einen Spa-
    ziergang zu machen.«
    »Gott schütze ihn, Herr Graf !« antwortete das junge
    Mädchen errötend.
    Dabei spiegelte sich in ihrem reizenden Gesicht aber
    eine solche Angst, daß Franz sie nach deren Ursache fragte.
    »Ja, Gott schütze ihn«, wiederholte das Mädchen, »denn
    bei dem Versuch, trotz ihres Verbots in das Schloß einzu-
    dringen, hat Nic die Geister dort herausgefordert, und wer
    weiß, ob sie nicht grausam genug sind, ihn dafür sein Leben
    lang zu quälen.«
    »Oh, was das betrifft, Fräulein Miriota«, antwortete
    Franz, »damit werden wir, das versprech’ ich Ihnen, bald fer-
    tig werden.«
    »Meinem armen Nic soll also kein weiteres Unheil zu-
    stoßen?«
    »Keines, und dank den Beamten der Polizei wird jeder-
    mann binnen wenig Tagen in der Burg und deren Umge-
    bung ebenso gesichert spazieren gehen können, wie auf
    dem Dorfplatz in Werst.«
    Da er es für unangebracht hielt, Fragen übersinnlicher
    Natur mit dem in solchen Dingen höchst befangenen Mäd-
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    chen weiter zu besprechen, bat er Miriota, ihn in das Zim-
    mer des jungen Försters zu geleiten.
    Das tat das junge Mädchen sofort, ließ dann aber Franz
    mit ihrem Verlobten allein.
    Nic Deck war über die Ankunft der beiden Reisenden
    im Gasthof zum ›König Mathias‹ informiert worden. In ei-
    nem alten, wie ein Schilderhaus breiten Lehnstuhl sitzend,
    erhob er sich, um seinen Besucher zu empfangen. Da er von
    der Halblähmung, die ihn so plötzlich betroffen, kaum noch
    etwas verspürte, konnte er die Fragen des Grafen von Telek
    ohne Schwierigkeiten beantworten.
    »Herr Deck«, begann Franz, nachdem er zuerst die Hand
    des jungen Forstwärters freundschaftlich gedrückt hatte,
    »zuerst muß ich Sie fragen, ob Sie denn selbst an das Vor-
    handensein böser Geister im Karpatenschloß glauben?«
    »Ja, ich muß wohl, Herr Graf«, gestand Nic Deck.
    »Und solche Geister wären es gewesen, die Sie gehindert
    hätten, über die Mauer zu gelangen?«
    »Daran zweifle ich nicht mehr.«
    »Und warum, wenn ich bitten darf ?«
    »Weil das, was mir widerfahren ist, unerklärlich wäre,
    wenn es keine solchen Geister gäbe.«
    »Wären Sie so freundlich, mir die ganze Sache zu erzäh-
    len, doch ohne irgend etwas wegzulassen, was dabei vorge-
    gangen ist?«
    »Mit Vergnügen, Herr Graf.«
    Nic Deck berichtete also, wie von ihm verlangt. Er konnte
    dabei allerdings nur die Tatsachen bestätigen, die dem Gra-

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    — 194 —
    fen Franz bei dem früheren Gespräch mit den Gästen des
    ›König Mathias‹ schon zu Ohren gekommen waren – Tat-
    sachen, denen Franz von Telek, wie wir wissen, eine ganz
    natürliche Deutung zu geben versucht hatte.
    Die Ereignisse jener abenteuerlichen Nacht erklärten
    sich ja ungemein leicht, wenn menschliche Wesen – Übel-
    täter oder andere – die sich in der Burg aufhielten, die nö-
    tigen Apparate besaßen, um allerlei Zauber- und Spuk-
    erscheinungen hervorzurufen. Was die eigentümliche
    Behauptung von Doktor Patak anging, daß er sich durch
    eine unsichtbare Kraft an den Boden gefesselt gefühlt habe,
    so konnte man wohl annehmen, daß genannter Doktor da-
    mals zum Spielball seiner Einbildung geworden sei. Weit
    größere Wahrscheinlichkeit hatte es für sich, wie Franz dem
    Förster erklärte, daß jenem, weil ihn der Schrecken lähmte,
    die Beine

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