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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Nacht?«
    Im Innern der Höhle war nichts verändert, außer daß
    — 237 —
    das Licht wieder brannte und eine unsichtbare Hand die
    Speisen erneuert und den Krug wieder mit klarem Wasser
    gefüllt hatte.
    Demnach mußte also doch jemand hier gewesen sein,
    während Franz in wahrem Totenschlummer lag! Es mußte
    andern bekannt sein, daß er sich hier in der Tiefe unter der
    Burg befand! Er war in der Gewalt des Baron Rudolph von
    Gortz. Und vielleicht gar verdammt, nie wieder mit seines-
    gleichen in Berührung zu kommen?
    Das schien doch kaum glaublich, und im übrigen würde
    er fliehen, da er das noch konnte, würde er auch den Rück-
    weg nach dem Ausfallstor wiederfinden und das Schloß
    verlassen.
    Verlassen? Da erinnerte er sich, daß sich das Tor ja hin-
    ter ihm geschlossen hatte.
    Nun, dann wollte er die Umfassungsmauer zu erreichen
    suchen, sich durch eine der engen Schießscharten zwän-
    gen, versuchen an der Außenseite hinabzugleiten, um jeden
    Preis aber müsse er vor Ablauf einer Stunde aus dem Schloß
    entwichen sein.
    Doch La Stilla. Sollte er denn darauf verzichten, bis zu
    ihr vorzudringen? Sollte er fortgehen, ohne sie Rudolph
    von Gortz entrissen zu haben?
    Nein! Und wenn er dieses Ziel jetzt nicht erreichte, dann
    wollte er, mit der Hilfsmannschaft, die Rotzko von Karls-
    burg rufen sollte, seine Absicht doch erzwingen. Dann sollte
    die Burg erstürmt und vom Grund bis zum Dachfirst durch-
    sucht werden!
    — 238 —
    Nach dieser Erwägung handelte es sich nur um schleu-
    nigste Durchführung seines Entschlusses.
    Franz erhob sich, eilte auf den Gang zu durch den er
    hierhergekommen war – doch horch! da erklang hinter der
    zweiten Tür der Höhle ein leises Geräusch.
    Das waren unzweifelhaft Schritte, die näher heranka-
    men.
    Franz preßte das Ohr an die Türfüllung und lauschte mit
    angehaltenem Atem.
    Die Schritte wiederholten sich in regelmäßigen Abstän-
    den, als ob jemand langsam eine Treppe herunterkäme. Ge-
    wiß befanden sich jenseits der Tür wieder Stufen, über die
    man aus dieser Höhle in den inneren Schloßhof gelangte.
    Um gegen jede Überraschung gesichert zu sein, zog
    Franz das Messer aus der Scheide, die an seinem Gürtel
    hing, und packte es fest mit der Hand.
    Wenn es einer der Diener des Barons von Gortz war, der
    bei ihm einträte, so wollte er sich über diesen werfen, ihm
    die Schlüssel entreißen und jede Verfolgung unmöglich ma-
    chen; dann gedachte er unter Benutzung dieses freien Aus-
    gangs nach dem Wartturm vorzudringen.
    War es aber der Baron von Gortz selbst – und ihn er-
    kannte er sicherlich wieder, nachdem er den Mann in dem
    Augenblick gesehen hatte, wo La Stilla auf der Bühne des
    San Carlo-Theaters niedersank – so wollte er ihn ohne Mit-
    leid niederstoßen.
    Inzwischen waren die Schritte bis zu dem Absatz, der die
    äußere Schwelle bilden mochte, nahe gekommen.

    — 239 —
    — 240 —
    Ohne sich zu rühren, wartete Franz, daß die Tür aufge-
    hen würde.
    Sie öffnete sich aber nicht, dagegen drang eine unendlich
    sanfte Stimme an das Ohr des jungen Grafen.
    Das war die Stimme La Stillas – ja, nur ein wenig schwä-
    cher, doch mit all dem Liebreiz, der Geschmeidigkeit, den
    einschmeichelnden Modulationen der höchsten Kunst des
    Gesangs, die mit der Künstlerin gestorben zu sein schie-
    nen.La Stilla wiederholte das Klagelied, das Franz schon ein-
    mal in Schlaf gewiegt hatte, als er im Gastzimmer des ›Kö-
    nig Mathias‹ in Werst saß.
    Nel giardino de’ mille fiori,
    Andiamo mio cuore ...
    Diese Töne drangen Franz bis in die tiefste Seele. Er
    saugte sie ein, er trank sie wie einen Göttertrank, während
    La Stilla ihn zu rufen schien, ihr zu folgen, denn sie wie-
    derholte:
    Andiamo, mio cuore ... andiamo
    Und doch ging die Tür nicht auf, um ihn herauszulassen!
    Sollte er also trotzdem nicht zu Stilla kommen, sie in seine
    Arme schließen und aus der Burg entführen können?
    »Stilla, meine geliebte Stilla!« rief er schmerzbewegt.
    — 241 —
    Er warf sich gegen die Tür – sie widerstand seinen An-
    strengungen.
    Der Gesang schien bereits leiser zu werden – die Stimme
    zu erlöschen – die Schritte sich zu entfernen.
    Niederkniend suchte Franz die Flügel aus den Haspen zu
    heben; er zerriß sich die Hand an dem Eisenbeschlag und
    rief unausgesetzt nach La Stilla, deren Stimme kaum noch
    hörbar war.
    Da durchzuckte ihn gleich einem Blitz ein entsetzlicher
    Gedanke.
    »Wahnsinnig!« schrie er, »sie ist

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