Das Karpatenschloß
war. An der oberen
Mündung dieses Schachts spielte ein gegen die Steinfassung
schräg einfallender Strahl.
Die Sonne hatte also wenigstens die Hälfte ihres Tages-
bogens zurückgelegt, denn der erhellte Streifen wurde im-
mer kleiner.
Es mochte gegen 5 Uhr nachmittags sein. Franz schloß
daraus, daß er mindestens 40 Stunden lang geschlafen ha-
ben musste, und nun zweifelte er erst recht nicht mehr, daß
das durch eine einschläfernde Arznei geschehen war.
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Da der junge Graf und Rotzko vorgestern, am 11. Juni,
das Dorf Werst verlassen hatten, mußte jetzt der 13. zur
Neige gehen.
So feucht die Luft im Hof dieses Grundes auch war, at-
mete sie Franz doch in vollen Zügen ein und fühlte sich da-
durch ein wenig erquickt. Wenn er aber gehofft hatte, daß er
längs dieser Steinwand vielleicht fliehen könnte, sah er sich
jetzt schnell enttäuscht. An den glatten Flächen emporzu-
klettern, die nirgends einen Vorsprung boten, erschien völ-
lig unausführbar.
Franz kehrte ins Höhleninnere zurück. Da er durch
keine der beiden Türen fliehen konnte, wollte er nachsehen,
in welchem Zustand sie sich befanden.
Die erste Tür, durch die er hereingekommen war, erwies
sich als sehr fest und dick und war jetzt sicher von außen
mit starken, in eisernen Krampen liegenden Riegeln ver-
schlossen. Deren Füllung durchbrechen zu wollen mußte
also ganz vergeblich sein.
Die zweite Tür – hinter der er La Stillas Stimme gehört –
schien weniger gut erhalten zu sein. Deren Planken waren
da und dort angefault. Vielleicht war es gar nicht so schwer,
sich hier einen Ausgang zu eröffnen.
»Ja, hier, hier muß ich hindurch!« redete Franz, der seine
Kaltblütigkeit wiedergewonnen hatte, sich selbst anfeuernd
zu.Er hatte jedoch keine Zeit zu verlieren, denn es war ja
möglich, daß jemand nach der Höhle kam, wenn man ihn
durch das Wasser im Krug eingeschlummert glaubte.
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Die Arbeit ging schneller vor sich, als er erwartet hatte,
Moder und Schimmel hatten das Holz in der Umgebung des
Eisenbeschlags, der die Riegelbolzen zurückhielt, teilweise
schon zerstört. So gelang es Franz, mit seinem Messer die
mittlere Planke auszuschneiden, wobei er sorgsam jedes Ge-
räusch vermied und dann und wann einhielt und horchte,
um zu erfahren, ob er nichts von außen her vernahm.
Nach 3 Stunden vermochte er die Riegel zurückzuschie-
ben, und in ihren Angeln knarrend, öffnete sich die Tür.
Franz kehrte erst noch einmal nach dem kleinen Hof zu-
rück, um in weniger erstickender Luft zu atmen.
Jetzt war der Lichtschein an der Schachtmündung nicht
mehr sichtbar, ein Beweis, daß die Sonne bereits hinter
dem Retyezat versunken war. Der Hof lag in tiefer Finster-
nis. Über dem Oval seines oberen Rands glänzten einzelne
Sterne so, als hätte man sie durch ein Teleskop gesehen.
Kleine Wolken zogen, getrieben von dem zeitweilig ausset-
zenden Wind, der sich in der Nacht zu legen pflegt, langsam
über den Himmel hin. Die ganze Färbung der Atmosphäre
aber ließ erkennen, daß der Mond, der jetzt fast halb voll
war, den Kamm der östlichen Bergwand schon überstiegen
hatte.
Es mochte nun etwa 9 Uhr abends sein.
Franz kehrte zurück, um ein wenig zu essen und seinen
Durst aus dem Wasserstrahl zu löschen, nachdem er den
Inhalt des Krugs ausgegossen hatte. Dann befestigte er sich
das Messer im Gürtel und begab sich durch die Tür, die er
hinter sich zuschlug.
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Sollte er jetzt vielleicht der unglücklichen La Stilla in die-
sen unterirdischen Galerien begegnen? Bei diesem Gedan-
ken schlug sein Herz so heftig, als ob es zerspringen sollte.
Nach wenigen Schritten stieß er an eine Stufe. Hier be-
gann also seiner Annahme entsprechend eine Treppe, deren
Stufen er beim Ersteigen zählte. Es waren nur 60, statt der
75, die er heruntergegangen war, ehe er an die Schwelle der
Höhle gelangte. Demnach mußten etwa an die 8 Fuß fehlen,
ehe er die Oberfläche des Erdbodens erreichte.
Da ihm jedoch nichts anderes am Herzen lag, als dem
dunklen Korridor zu folgen, an dessen Seitenwänden er mit
beiden Händen hinstrich, ging er ohne Rücksicht darauf
weiter.
Eine halbe Stunde verstrich, ohne daß ihn eine Tür oder
ein Gitter aufgehalten hätte. Bei dem vielfach gebrochenen
Weg war es ihm jedoch unmöglich, abzuschätzen, welcher
Richtung dieser in bezug auf die Zwischenmauer folgte, die
nach dem Plateau des Orgall hinauslag.
Nach
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