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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gesicht und seine
    Höhe ließ annehmen, daß er aus einem der Fenster des
    Wartturms hervorging.
    Franz sah sich nun bald den letzten, allerdings unüber-
    steiglichen Hindernissen gegenüber.
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    Da das Tor geschlossen und die Brücke aufgezogen war,
    mußte wohl auch er zum Fuß der Zwischenmauer hinunter-
    klettern. Was begann er dann aber vor einer Mauer, die 40
    bis 50 Fuß fast senkrecht aufstieg?
    Franz ging zu der Stelle, wo die gesenkte Zugbrücke auf-
    lag, als er plötzlich ein Geräusch hörte, das ihm verriet, daß
    das Schloß des Tors geöffnet wurde.
    Auch die Zugbrücke fiel langsam und knarrend herab.
    Ohne einen Augenblick der Überlegung stürmte Franz
    auf die noch schwankende Bahn der Brücke und legte die
    Hand an das Tor.
    Dessen schwerer Flügel gab dem Druck nach.
    Franz trat eiligen Schrittes in das dunkle Gewölbe über
    ihm. Kaum aber ein kleines Stück weitergekommen, da hob
    sich die Brücke wieder und schlug geräuschvoll an die Tor-
    pfeiler an.
    Graf Franz von Telek war im Karpatenschloß gefangen.
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    Die Bewohner Siebenbürgens und die Reisenden, die den
    Vulcanrücken hinauf- oder hinuntergingen, kannten das
    Karpatenschloß nur nach seiner äußeren Erscheinung. Bei
    der respektvollen Entfernung, in der das Gefühl der Furcht
    auch die mutigsten Männer im Dorf zurückhielt, erscheint
    es ja nur als der ungeheure Steinhaufen einer in Ruinen lie-
    genden Burg.
    Innerhalb der Umfassungsmauer war die Burg jedoch

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    keineswegs so zerfallen, wie man hätte annehmen können;
    durch das feste Mauerwerk geschützt, hätten die unversehrt
    gebliebenen Gebäude des alten Rittersitzes noch einer gan-
    zen Besatzung Unterkommen gewähren können.
    Große gewölbte Galerien, tiefe Höhlen, verzweigte Gänge,
    Höfe, deren Steinbelag allerdings unter wucherndem Gras
    und Unkraut verschwand, unterirdische Festungsräume, in
    die niemals ein Strahl des Tageslichts eindrang, geheime
    Treppen, die im dicken Mauerwerk selbst ausgespart waren,
    Kasematten mit schwacher Beleuchtung durch die Schieß-
    scharten der Zwischenmauer, in der Mitte ein dreistöckiger
    Wartturm mit noch recht gut bewohnbaren Zimmern und
    einer Plattform mit Zinnenrand darüber, zwischen den ver-
    schiedenen Baulichkeiten endlose, in allen Richtungen ver-
    laufende Gänge, wie Stollen eines Bergwerks, die hier nach
    den Bastionen hinauf und dort wieder bis tief in den Un-
    terbau hinabführten, hier und da auch eine Zisterne, wo-
    rin sich das Regenwasser sammelte, dessen Überschuß zum
    Nyad abfloß, endlich lange Tunnel, die nicht, wie man hätte
    glauben können, von Geröll verstopft, sondern noch bis zur
    Bergstraße des Vulcan hinabführten, das war das Karpaten-
    schloß, dessen Plan und Anlage sich als fast nicht weniger
    verwickelt erwiesen als die Labyrinthe des Porsenna oder
    jene auf Lemnos und auf Kreta.
    Wie den Theseus, als er die Tochter des Minos gewinnen
    wollte, so war es auch ein mächtiges, unwiderstehliches Ge-
    fühl, das den jungen Grafen durch die unzähligen Irrgänge
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    der Burg trieb. Würde er auch den Ariadnefaden finden, der
    den griechischen Helden den Rückweg angab?
    Franz hatte nur den einen Gedanken gehabt, durch die
    Umfassungsmauer zu dringen, und das war ihm ja gelun-
    gen. Vielleicht hätte ihm dabei auffallen sollen, daß die –
    soweit bekannt stets aufgezogene – Brücke scheinbar ganz
    allein dazu herabzugleiten schien, ihm den Eintritt zu ermög-
    lichen! Ebenso hätte es ihn wohl beunruhigen müssen, das
    Tor sich hinter ihm urplötzlich schließen zu sehen, doch an
    dergleichen dachte er gar nicht. Er befand sich endlich in
    dem Schloß, wo Rudolf von Gortz La Stilla zurückhielt, und
    er war bereit sein Leben zu opfern, wenn er nur bis zu ihr
    vordringen konnte.
    Die breite, hohe und flachgewölbte Galerie, in der Franz
    jetzt hinging, lag im allertiefsten Dunkel, und teilweise ver-
    schobene oder gesprungene Steinplatten des Bodens mach-
    ten das Vorwärtskommen darauf sehr unsicher.
    Franz näherte sich der linken Wand und folgte ihr, in-
    dem er mit der linken Hand daran hinstreifend, den ausge-
    schwitzten Salpeter daran abblätterte. Nicht das geringste
    Geräusch war zu hören außer dem seiner eigenen Schritte,
    die weithin widerhallten. Ein warmer Luftstrom, dem sich
    widerlicher Modergeruch beimischte, traf ihn von hinten,
    als ob am anderen Ende der Galerie die Luft daraus kräftig
    abgesaugt würde.
    Nachdem er an

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