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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ei-
    ner der Burgbewohner trug?
    »Sollte sie es sein?« murmelte Franz.
    Er erinnerte sich jetzt, daß ihm schon ein Lichtschein
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    aufgeblitzt war, um ihm den Eingang ins Schloß zu zeigen,
    als er zwischen den Felsmassen des Orgallplateaus umher-
    irrte. Und wenn es La Stilla gewesen war, die ihm jenes Licht
    von den Fenstern des Wartturms aus gezeigt hatte, konnte es
    nicht wiederum sie sein, die ihn jetzt durch die Windungen
    und Biegungen des Schloßgrundes zu leiten suchte?
    Kaum seiner Sinne Meister, bückte sich Franz und starrte
    nach der hellen Stelle, ohne jedoch sonst eine Bewegung zu
    machen.
    Mehr eine Art verbreiteter Schein als ein einzelner Licht-
    punkt schien dort ein unterirdisches Gewölbe matt zu er-
    hellen.
    Schnell entschloß sich Franz weiterzukriechen, denn
    seine Füße vermochten ihn kaum noch zu tragen, und
    nachdem er durch eine enge Öffnung gekommen war, fiel
    er an der Schwelle des engen Gelasses nieder.
    Dieser verhältnismäßig gut erhaltene Raum von 12 Fuß
    Höhe bildete einen Kreis von ziemlich gleichem Durch-
    messer. Seine Gewölberippen, die an Kapitellen von acht
    Säulen aufgelegt waren, strahlten nach einem in der Mitte
    herabhängenden Schlußstein zusammen, und an diesem
    hing wieder eine Glaslampe, die einen grünlichen Schein
    ausstrahlte. Gegenüber der Tür und zwischen den Pfeilern
    ausgebrochen, befand sich noch eine zweite Tür, die aber
    geschlossen war und an der die verrosteten Köpfe großer
    Nägel die Stelle bezeichneten, wo auf der anderen Seite das
    Schloß befestigt war.
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    Franz erhob sich, schleppte sich nach jener anderen Tür
    und versuchte, deren schwere Flügel zu erschüttern.
    Sein Bemühen erwies sich als fruchtlos.
    Einige von der Zeit benagte Möbelstücke standen in der
    Höhle; hier ein Bett oder vielmehr eine Lagerstätte aus Ei-
    chenkernholz, auf der sich einige Decken und Kissen be-
    fanden; dort ein Schemel mit gedrehten Füßen und ein mit
    Bandeisen an der Wand befestigter Tisch. Auf dem Tisch
    wieder standen verschiedene Geräte; ein Krug mit Wasser,
    ein Teller mit einem tüchtigen Stück kaltem Fleisch und
    ein großer Laib Brot, das schon mehr dem gewöhnlichen
    Schiffszwieback ähnelte.
    All diese Vorbereitungen deuteten wieder darauf hin,
    daß ein Bewohner dieser Höhle oder eigentlich ein Ge-
    fangener in diesem Kerker erwartet worden war. War nun
    Franz von Telek dieser Gefangene, der sich durch List hatte
    hierher verlocken lassen?
    Im Wirrwarr seiner Gedanken dachte Franz hieran mit
    keiner Silbe. Von Hunger und Müdigkeit erschöpft, ver-
    zehrte er die auf dem Tisch vorhandenen Nahrungsmittel
    und löschte den brennenden Durst aus dem Wasserkrug;
    dann sank er auf das grobe Bett, wo ihn einige Minuten der
    Rast doch wenigstens etwas kräftigen mußten.
    Als er aber seine Gedanken zu sammeln versuchte, zer-
    rannen ihm diese wie Wasser, das er in der Hand gehalten
    hatte.
    Sollte er nun den Tag abwarten, um seine Nachforschun-
    gen wieder aufzunehmen? War seine Willenskraft jetzt
    — 236 —
    nicht so sehr herabgesetzt, daß er die Herrschaft über jede
    Handlung ganz verlor?
    »Nein!« sprach er für sich, »ich warte nicht! Nach dem
    Turm – noch diese Nacht muß ich nach dem Wartturm ge-
    langen!«
    Da erlosch plötzlich das künstliche Licht, das die im De-
    ckenschlußstein hängende Lampe bisher verbreitet hatte,
    und die Höhle lag in tiefster Finsternis.
    Franz wollte sich erheben. Es gelang ihm nicht, und sein
    Denkvermögen schlummerte ein oder, richtiger, es stand
    plötzlich still, wie der Zeiger einer Uhr, deren Feder ge-
    sprungen ist. Das war ein seltsamer Schlaf, mehr eine erdrü-
    ckende Erstarrung, eine völlige Vernichtung des Seins, die
    eine innere Beruhigung nicht aufkommen lassen konnte.
    Wie lange dieser Schlaf gedauert hatte, konnte Franz, als
    er daraus erwachte, nicht abschätzen. Seine inzwischen ste-
    hengebliebene Uhr zeigte ihm nicht mehr die Stunde. Die
    Höhle war aber jetzt wieder mit mattem Licht erfüllt.
    Franz verließ das Lager und tat einige Schritte zu der ers-
    ten Tür; sie stand noch immer offen; – dann zu der zweiten,
    die war geschlossen wie vorher. Er wollte jetzt nachdenken,
    doch das gelang ihm nur mit Mühe.
    War sein Körper vom Vortag her noch von der Anstren-
    gung erschöpft, so fühlte er heute eine merkwürdige Leere,
    einen belästigenden Druck im Kopf.
    »Wie lange mag ich geschlafen haben?« fragte sich
    Franz. – »Ist es jetzt Tag oder

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