Das Karpatenschloß
neuesten
Erfindungen der Elektriker, wußte deren Verwendung zu
vervielfältigen und damit die wunderbarsten Wirkungen
zu erzielen.
Nach den Vorfällen, die die dramatische Laufbahn La
Stillas beendeten, verschwand der Baron von Gortz, ohne
daß jemand hätte sagen können, was aus ihm geworden war.
Als er Neapel verließ, hatte er sich nämlich sofort nach dem
Karpatenschloß zurückgezogen, wohin Orfanik – höchst
befriedigt, sich mit ihm einschließen zu können – seinem
Mäzen folgte.
Als er den Entschluß gefaßt hatte, sich hinter den Mau-
ern dieser alten Burg zu begraben, ging die Absicht des Ba-
rons von Gortz auch dahin, keinem Bewohner des Landes
seine Rückkehr bekannt werden zu lassen und jedermann
von einem Besuch des alten Rittersitzes fernzuhalten.
Selbstverständlich fehlte es Orfanik und ihm nicht an Mit-
teln zur Erhaltung des materiellen Lebens im Schloß. Von
diesem aus bestand nämlich eine geheime Verbindung mit
dem Vulcanrücken, und auf diesem Weg besorgte ein ver-
läßlicher Mann, ein früherer Diener des Barons, den nie-
mand als solchen mehr kannte, zu gewissen Zeiten alles,
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was zur Existenz des Barons Rudolph und seines Gesell-
schafters nötig war.
Was von der Burg noch bestand – und vor allem der
Wartturm in der Mitte – war weit weniger zerfallen als man
allgemein glaubte und sogar ausreichender bewohnbar, als
es die Bedürfnisse ihrer Bewohner erheischten. Mit allem
versehen, was er zu seinen Versuchen brauchte, konnte sich
Orfanik ungestört den wunderbaren Arbeiten hingeben, zu
denen ihn die gewaltigen Errungenschaften der Chemie
und Physik anspornten. Da kam ihm der Gedanke, diese
auch zur Abhaltung jedes unbequemen Besuchs anzuwen-
den.Der Baron von Gortz ging auf einen diesbezüglichen
Vorschlag mit Feuereifer ein, und Orfanik stellte einen be-
sonders konstruierten Apparat her, der ausschließlich be-
stimmt war, die weitere Umgebung durch Erscheinungen zu
erschrecken, die die etwas beschränkten Bewohner nur ei-
ner Mithilfe des Höllenfürsten zuschreiben konnten.
In erster Linie kam es dem Baron von Gortz darauf an,
immer über das informiert zu sein, was die Leute im nächs-
ten Dorf redeten. Gab es also ein Mittel, diese Leute bei ih-
ren Gesprächen zu belauschen, ohne daß sie etwas davon
ahnten? – Gewiß, dazu gehörte ja nur, daß eine telephoni-
sche Verbindung zwischen dem Schloß und der Gaststube
des ›König Mathias‹, wo die »Standespersonen« von Werst
verkehrten, hergestellt wurde.
Eine solche führte denn Orfanik, nicht minder geschickt
als unbemerkt, auf einfachste Weise aus. Ein mit isolieren-
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der Schicht umhüllter Draht, dessen eines Ende am ersten
Stockwerk des Wartturms befestigt war, wurde durch das
Wasser des Nyad bis zum Dorf Werst geleitet. Nachdem das
geschehen war, brachte Orfanik, der sich als Tourist vor-
stellte, eine Nacht im ›König Mathias‹ zu, um jenen Draht
mit der Gaststube des Hauses in Verbindung zu setzen. Be-
greiflicherweise machte es ihm keine besonderen Schwie-
rigkeiten, das im Bett des Bergbachs versenkte andere Ende
bis zur Fensterhöhe der hinteren Hauswand an einer Stelle
hinaufzuführen, wo ihn niemals eine Menschenseele suchte.
Nachdem er hier ein Telephon, unter dem Blätterwerk der
Mauer verborgen, angebracht hatte, verknüpfte er es mit
dem Leitungsdraht. Der betreffende Apparat war übrigens
ebenso zum Auffangen von Lauten wie zum Selbstsprechen
eingerichtet, und infolgedessen konnte der Baron von Gortz
alles hören, was im ›König Mathias‹ gesprochen wurde, aber
auch alles, was er wollte, hier zur Vernehmung bringen.
Während der ersten Jahre wurde die Ruhe der Burg in
keiner Weise gestört. Der üble Ruf, in dem sie stand, genügte
schon, die Bewohner von Werst davon fernzuhalten. Übri-
gens war es bekannt, daß sie seit dem Ableben der letzten
Diener der Familie verlassen war. Eines Tages aber – im Be-
ginn unserer Erzählung – hatte der Schäfer Frik durch sein
Fernrohr eine Rauchsäule entdecken können, die sich aus
einer der Schornsteine des Wartturms emporschlängelte.
Von dieser Stunde an blieb der Mund der Leute wieder in
Bewegung, und der freundliche Leser weiß ja, was daraus
folgte.
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Jetzt erwies sich die telephonische Verbindung von be-
sonderem Nutzen, da der Baron von Gortz und Orfanik
stets auf dem Laufenden über alles bleiben konnten, was in
Werst vorging. Durch
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