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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Or-
    faniks zu prüfen.
    Dabei wurden zwischen beiden Männern mit gedämpf-
    ter Stimme folgende Worte gewechselt.
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    »Ist die Verbindung mit der Kapelle hergestellt, Orfanik?«
    »Eben werd’ ich damit fertig.«
    »In den Kasematten der Bastion ist auch alles vorberei-
    tet?«
    »Alles.«
    »Jetzt ist also die Verbindung der Kapelle und der Bas-
    tion mit dem Wartturm in Ordnung?«
    »Vollständig.«
    »Und wenn der Apparat den Strom entläßt, werden wir
    noch Zeit genug zum Fliehen haben?«
    »Ganz sicher.«
    »Ist auch nachgesehen worden, daß der nach dem Vulcan
    ausmündende Tunnel völlig gangbar ist?«
    »Natürlich, das ist geschehen.«
    Es folgten nun einige Minuten des Schweigens, während
    der Orfanik seine Laterne wieder ergriffen hatte, deren
    Schein er durch die finsteren Winkel der Kapelle schwei-
    fen ließ.
    »Ach, meine alte Burg«, rief der Baron, »die wird einem,
    der deine Mauern zu erstürmen wagte, teuer zu stehen kom-
    men!«
    Rudolph von Gortz sprach diese Worte in einem Ton, der
    den jungen Grafen erbeben machte.
    »Sie haben gehört, was man in Werst erzählte?«, fragte
    Orfanik. »Vor 5 Minuten erst meldete mir der Draht die

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    Pläne, die im Gasthaus zum ›König Mathias‹ geschmiedet
    worden sind.«
    »Ist der Angriff für diese Nacht geplant?«
    »Nein, er wird erst bei Tagesanbruch stattfinden.«
    »Seit wann ist Rotzko nach Werst zurückgekehrt?«
    »Seit 2 Stunden mit den Polizeisoldaten, die er aus Karls-
    burg mitgebracht hat.«
    »Nun gut; da sich das Schloß nicht mehr verteidigen
    kann«, stieß der Baron von Gortz hervor, »wird es wenigs-
    tens jenen Franz von Telek und alle, die ihm zu Hilfe kom-
    men, unter seinen Trümmern begraben!«
    Nach wenigen Augenblicken fuhr er fort: »Und jener
    Leitungsdraht, Orfanik? Es braucht auch später niemand zu
    erfahren, daß er eine Verbindung zwischen dem Schloß und
    dem Dorf Werst herstellte.«
    »Das soll auch keiner erfahren; ich werde den Draht zer-
    stören.«
    Es scheint uns nun an der Zeit, verschiedene Vorkomm-
    nisse zu erklären, die im Lauf dieser Erzählung wiederge-
    geben oder gestreift wurden, und deren Ursachen, wohl
    wissenschaftlich begründet, für den Laien aber nicht sofort
    verständlich sind.
    Zu jener Zeit – wir betonen ausdrücklich, daß diese Ge-
    schichte sich in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts ab-
    spielte – war die Anwendung der Elektrizität, die mit Recht
    als »die Seele des Weltalls« betrachtet wird, zur höchsten
    Vollkommenheit gediehen. Der berühmte Edison und seine
    Nachfolger hatten ihr Werk selbst übertroffen.
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    Unter anderen Apparaten fungierte das Telefon mit so
    wunderbarer Sicherheit, daß die von der Schallplatte aufge-
    nommenen Töne ohne Hilfe eines Hörrohrs deutlich zum
    Ohr drangen. Was da gesprochen, gesungen und geflüstert
    wurde, konnte man auf jede beliebige Entfernung hin ver-
    stehen, und zwei durch tausende von Meilen getrennte Per-
    sonen plauderten miteinander, als ob sie sich Auge in Auge
    gegenüber am Tisch säßen*.
    Schon seit Jahren konnte Orfanik, der Unzertrennliche
    des Baron Rudolph von Gortz, bezüglich der praktischen
    Verwendung der Elektrizität als ein Erfinder ersten Ranges
    gelten. Bekanntlich fanden aber seine wunderbaren Erfin-
    dungen nicht die verdiente Aufnahme. Die gelehrte Welt sah
    in dem Mann nicht ein – Genie, sondern nur einen Narren;
    das erklärt auch den unversöhnlichen Haß, den der arme,
    überall abgewiesene und gekränkte Mann seinen Mitmen-
    schen geschworen hatte.
    Unter solchen Umständen traf der Baron von Gortz mit
    dem vom Unglück verfolgten Orfanik zusammen. Er er-
    mutigte ihn in seinen Arbeiten, stellte ihm seine Börse zur
    Verfügung und nahm den Mann schließlich ganz in seine
    Dienste, allerdings unter der Bedingung, daß er allein zu-
    nächst den Nutzen seiner Erfindungen genösse.
    Diese beiden originellen und jede nach ihrer Art über-
    spannten Persönlichkeiten waren übrigens wie geschaffen,
    * Sie konnten sich sogar durch mit Drähten verbundene Spiegel,
    dank der Erfindung des Telephots, deutlich sehen.
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    einander zu verstehen. Seit ihrem Zusammentreffen trenn-
    ten sie sich nicht wieder – nicht einmal, wenn der Baron La
    Stilla nach allen Städten Italiens nachreiste.
    Doch während der Musiknarr sich mit dem Gesang der
    unvergleichlichen Künstlerin berauschte, beschäftigte sich
    Orfanik einzig mit der Vervollkommnung der

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