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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eingeschlossen war. Nur er konnte darin sein… La Stilla am Leben!… Wie würde Franz aber zu ihr gelangen, wie sie aus dem Schlosse entführen können?…
    Er wußte es nicht, und doch mußte es sein… und es würde geschehen. Die Hindernisse, die Nic Deck nicht zu besiegen vermochte, er würde sie überwinden. Ihn trieb ja nicht nur die Neugier in diese Ruinen, die Leidenschaft war es, seine Liebe zu dem Weibe, die er hier lebendig wiederfand… nachdem er sie für todt gehalten, und die er Rudolph von Gortz entreißen mußte!
    Franz begriff wohl, daß er nirgends anders Zugang finden werde, als durch die südliche Verbindungsmauer, in der sich das Ausfallsthor mit der Zugbrücke davor befand. Da es ihm gar nicht in den Sinn kam, die hohen Mauern erklimmen zu wollen, wanderte er auf dem Plateau des Orgall weiter und weiter, bis er die Eckbastion hinter sich hatte.
    Am Tage würde das keine besonderen Schwierigkeiten geboten haben. In tiefdunkler Nacht – der Mond war noch nicht aufgegangen – in einer Nacht, die durch die sich um die Höhen ansammelnden Nebelwolken nur noch finstrer wurde, war es mehr als tollkühn. Der Gefahr einen falschen Tritt zu thun und dadurch in den tiefen Graben hinabzustürzen reihte sich noch die weitere an, gegen unsicher gestützte Felsblöcke zu stoßen und diese vielleicht zum Umstürzen zu bringen.
    Franz drang immer weiter vor und hielt sich so nah als möglich an die Zickzacklinie der äußeren Böschung, tastete dabei mit Hand und Fuß, um sicher zu sein, daß er nicht davon abirre. Von übermenschlicher Kraft getragen, fühlte er sich auch wie durch einen merkwürdigen Instinct geleitet, der ihn nicht irre führen konnte.
    Jenseit der Bastion dehnte sich die südliche Zwischenmauer aus, mit der die Brücke, wenn sie nicht aufgezogen war, die Verbindung herstellte.
    Von dieser Bastion aus schienen sich die Hindernisse jedoch zu vervielfältigen. Zwischen den gewaltigen Felsstücken, die das Plateau bedeckten, der Außenböschung weiter zu folgen, war nicht mehr ausführbar, und er mußte jetzt weiter davon zurückweichen. Der freundliche Leser denke sich etwa einen Mann inmitten des Steinfeldes von Carnac, dessen Dolmen und Menhirs ohne Ordnung umhergestreut wären. Und dazu kein Merkzeichen, um sich danach zu richten, kein Lichtschein in der finsteren Nacht, die den Giebel des Wartthurms völlig verschwinden ließ.
    Franz drang trotzdem weiter vor, indem er hier einen Felsblock erkletterte, der ihm den Weg gänzlich versperrte, dort mit zerrissenen Händen zwischen den Steinen hinkroch, während ihm mehrere Seeadler um den Kopf flatterten, die mit scharfem Kreischen aus ihren Schlupfwinkeln entflohen.
    Ach, warum ertönte die Glocke der alten Kapelle jetzt nicht, wie sie Nic Deck und dem Doctor entgegengeklungen hatte? Warum flammte über den Zinnen des Wartthurms nicht das blendende Licht auf, das jene Beiden beleuchtet hatte? Er wäre jetzt dem Klange, wäre dem Lichtstrahle nach vorgedrungen, wie der Seemann sich von dem Klange des Nebelhorns oder dem Blitzen des Leuchtthurms leiten läßt.
    Vergeblicher Wunsch!… Ringsum nichts als die finstere Nacht, die sein Auge kaum einige Schritte weit zu durchdringen vermochte.
    Das dauerte etwa eine Stunde. An der merkbaren Neigung des Erdbodens nach links zu sah Franz, daß er sich verirrt hatte, vielleicht war er schon tiefer als das Ausfallsthor hinunter gerathen, vielleicht über die Zugbrücke hinausgegangen.
    Er machte Halt, stampfte mit dem Fuße und rang die Hände, unsicher, nach welcher Seite er sich wenden sollte. Und dabei packte ihn eine wahnsinnige Wuth bei dem Gedanken, nun doch wohl bis zum Anbruch des Tages warten zu müssen. Dann wurde er jedoch von den Insassen der Burg bemerkt, konnte er sie nicht überraschen… Rudolph von Gortz würde schon auf seiner Hut sein…
    In der Nacht, noch in der heutigen Nacht mußte er durch die Umfassungsmauer eindringen, und jetzt hatte Franz in der Dunkelheit überhaupt jede Richtung verloren!
    Da entfuhr ihm ein Schrei… ein Aufschrei der Verzweiflung.
    »Stilla… rief er, meine, meine Stilla!«…
    Ihm däuchte, als müsse die Gefangene ihn hören, als müsse sie ihm antworten können.
    Wohl zwanzig Mal wiederholte er den geliebten Namen, den die Echos des Plesa zurückgaben.
    Plötzlich leuchtete Franz etwas in die Augen. Ein Lichtschein strich durch das Dunkel… hell, glänzend… Ein Strahl, dessen Quell in einiger Höhe liegen mußte.
    »Das ist die Burg… da!«

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