Das Karrieremacherbuch
Möglichkeiten entspricht
Es gibt einige Menschen, die haben von Haus aus die richtige Einstellung, woher auch immer. Sie haben einen natürlichen Karriere-IQ. Heute Mittag war ich mit so jemandem essen. Das Restaurantboot auf der Elbe wackelte, mir ist jetzt noch schummrig. Wir sprachen über berufliche Entwicklung und die Wirtschaftskrise. »Mir kann nichts passieren«, sagte meine Mittagspausen-Bekanntschaft, nennen wir ihn Herrn Müller-Pickelhaupt. »Wenn das nicht klappt, was ich derzeit tue, mache ich eben etwas anderes. Bisher ist es immer gut gegangen.«
Das erinnerte mich an ein Gesetz aus meiner kölschen Heimat, das lautet: »et hät noch ewer jot jejonge«, was etwa zu übersetzen ist mit »es immer noch gut gegangen«. Die Kölner meinen das allerdings etwas fatalistischer als die Karrierekünstler vom Typ meines Mit-Essers. Für Menschen, die so denken, geht in der Tat vieles gut. Es geht deshalb gut, weil sie sich selbst eine Menge zutrauen und jede Menge Optionen und Alternativen sehen. Sie schauen viel nach links und rechts und schließen für sich selbst wenig aus. Sie hängen auch nicht nur Träumen nach, sondern sehen der Realität ins Gesicht.
»Ich habe viele Talente«, sagte dann auch Herr Müller-Pickelhaupt. »Zur Not würde ich eben bei Joey’s Pizza einsteigen. Und wenn das nicht läuft, verkaufe ich Döner. Da wird dann schnell eine Kette draus«, ergänzte er selbstbewusst. Ich nickte zustimmend, denn das ist das, was ich mir seit Beginn meines Berufslebens und erst recht seit meinem Start in die Selbstständigkeit vor neun Jahren auch immer sage. Du hast genug Talente, und zur Not gründest du ein Unternehmen, das Fensterputzer vermittelt. Das ist in Hamburg eine echte Marktlücke – weiß ich, nachdem ich wochenlang vergeblich versucht habe, jemanden für meine Bürofenster zu finden. Solche Erfahrungen und Einfälle schreibe ich in ein kleines Einfallsbuch, ohne Plan und Ziel. Aber wer weiß, wofür das mal gut ist.
Marmelade oder Mecklenburg
Ich schließe für mich auch nicht aus, im Falle des Falles noch kleinere Brötchen zu backen, etwa auf eine dänische Insel zu ziehen und den vorüberziehenden Touristen vom Straßenrand aus Marmelade zu verkaufen. Wobei dann jemand anderes das Einkochen übernehmen müsste – oder ich belege einfach einen Kurs. Natürlich müsste ich dann mit weit geringerem Einkommen leben. Aber auch die Option, in einem renaturisierten Gebiet in Mecklenburg-Vorpommern ohne Strom eine Zufluchtsstätte für arme Autoren einzurichten, habe ich schon einmal für mich durchgespielt. Alles ist möglich. Ich sehe das wie »Stadtaffe« Peter Fox, der einmal in einem Interview mit laut.de feststellte, dass er sich einfach ab und zu häuten und etwas Neues machen müsse. »Ich könnte jederzeit auch mit weniger Geld auskommen«, sagte Müller-Pickelhaupt. »Man muss dann einfach weniger ausgeben.« Damit sind wir auf einer Linie mit Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin, der neulich im Stern bekannte, dass er zur Not auch für 5 Euro arbeiten würde. Es sind also nicht nur verrückte Selbstständige, die so denken. Das beruhigt.
Nun mögen einige sagen, das sei ja arrogant, weil es der Autorin dieses Buchs, also mir, wahrscheinlich nicht allzu schlecht ginge, meiner Mittagspausen-Bekanntschaft vermutlich auch nicht und dem Maulhelden Sarrazin erst recht nicht. Aber genau das ist das Geheimrezept. Weil wir niemals die absolute Katastrophe kommen sehen, kann nichts Schlimmes passieren. Allein die Tatsache, dass wir uns viele Möglichkeiten offenhalten und nichts wirklich ausschließen, macht unabhängiger von der Konjunktur und hilft auch, das Thema Karriere entspannter zu sehen. Letztendlich dürfte auch die Abschreckung durch die Last-Exit-Möglichkeiten ihre Wirkung entfalten. Im Grunde weiß ich: Ich wäre kein guter Fensterputzer, und da auch das Disponieren von Personal und Putzstrecken nicht meine Sache ist, wäre es eine Notlösung, mit gewissem Charme zwar, aber immer noch eine Notlösung. Also konzentriere ich mich lieber auf mein derzeitiges Geschäft und mache es so marktfähig, dass es möglichst wenig konjunkturabhängig ist. Oder ich stelle mich auf die konjunkturellen Zyklen ein. Oder … Egal was – mir fällt eigentlich immer etwas ein.
Zur Not alles tun können ist das Ass im Karrierepoker
Wer die richtige Einstellung hat, stellt sich auf Situationen ein. Auch das ist zunächst mal eine mentale Geschichte. Wer willens ist, zur Not
Weitere Kostenlose Bücher