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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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umfassende Vorlesung über den Ursprung der verschiedenen Pflanzen- und Tierarten. Am Ende zeigte er auf einen Schmetterling, der von einer blauen Blume aufgeflogen war, und erklärte, daß gerade dieser Schmetterling gerade hier in der Poebene in Frieden leben könne, weil die Punkte auf seinen Flügeln aussähen wie die Augen wilder Tiere, die es hier gebe...
    Wenn Vater während anderer – seltenerer – Zigarettenpausen nachdachte, statt seinen wehrlosen Sohn mit philosophischen Vorträgen zu traktieren, zog ich die Lupe aus der Hosentasche und stellte interessante biologische Untersuchungen an. Dieselbe Lupe, mit der ich auf dem Rücksitz im Brötchenbuch las. Ich fand, daß Natur und Brötchenbuch gleichermaßen reich an Geheimnissen waren.
    Kilometer um Kilometer saß Vater hinter dem Lenkrad und dachte nach. Ich wußte, daß ich jederzeit mit wichtigen Wahrheiten über den Planeten, auf dem wir wohnten, oder über Mama, die uns plötzlich verlassen hatte, rechnen mußte. Doch das wichtigste war jetzt, im Brötchenbuch zu lesen...
     
    Ich war erleichtert darüber, daß ich Land gefunden hatte, das nicht nur aus kahlen Felsen im Meer bestand. Aber das war noch nicht alles: Diese Insel schien ein unergründliches Geheimnis zu bergen. Ich glaubte fest, daß sie immer größer wurde, je tiefer ich in ihr Inneres vordrang – als ob sie sich beim kleinsten meiner Schritte weiter in alle Richtungen entfaltete. Es war, als schöpfte sie aus irgend etwas in ihrer eigenen Tiefe.
    Ich folgte immer noch dem Pfad, aber bald teilte er sich in zwei Wege, und ich mußte mich für einen entscheiden. Ich nahm den nach links, dann teilte sich auch der. Ich hielt mich weiter nach links.
    Bald verschwand der Pfad in einer tiefen Schlucht zwischen zwei Bergen. Hier krochen riesige Schildkröten zwischen den Büschen herum, die größten über zwei Meter lang. Ich hatte schon von so großen Schildkröten gehört, sah sie aber zum ersten Mal selber. Eine schob ihren Kopf aus dem Panzer und blickte zu mir hoch, als wollte sie mich auf der Insel willkommen heißen.
    Ich setzte meine Wanderung den ganzen Tag lang fort. Ich sah neue Wälder, Täler und Hochebenen, konnte aber nie mehr das Meer entdecken. Ich hatte das Gefühl, mich in einer magischen Landschaft verirrt zu haben, einer Art umgekehrtem Labyrinth, in dem die Wege niemals an eine Wand stießen.
    Spät am Nachmittag erreichte ich offenes Gelände, eine weite Landschaft mit einem großen See, der munter in der Nachmittagssonne glitzerte. An seinem Ufer ließ ich mich fallen und stillte meinen Durst. Zum ersten Mal seit Wochen trank ich etwas anderes als Schiffswasser.
    Ich hatte mich auch schon lange nicht mehr gewaschen. Jetzt riß ich mir meine enge Matrosenkleidung vom Leib und schwamm los. Es war eine großartige Erfrischung nach dem langen Nachmittag unter der erstickenden Tropensonne. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mein Kopf von der Sonne verbrannt worden war, während ich schutzlos im Rettungsboot gesessen hatte.
    Ich tauchte einige Male, und wenn ich unter Wasser die Augen öffnete, sah ich einen großen Schwarm von Goldfischen in allen Regenbogenfarben. Einige waren grün wie die Pflanzen am Ufer, andere blau wie Edelsteine, und wieder andere hatten einen goldenen Schimmer in ihrer roten, gelben und orangenen Haut. Gleichzeitig hatte jeder von ihnen einen Streifen in allen Farben.
    Ich kroch wieder an Land und legte mich zum Trocknen in die Abendsonne. Jetzt spürte ich, wie der Hunger in meinem Körper wütete. Und ich entdeckte einen Busch mit dichten Kränzen von gelben erdbeergroßen Beeren. Ich hatte noch nie solche Beeren gesehen, nahm aber an, daß sie eßbar waren. Sie schmeckten wie eine Mischung aus Nüssen und Bananen. Nachdem ich mich satt gegessen hatte, zog ich mich an und schlief endlich erschöpft am Ufer des großen Sees ein.
     
    Am nächsten Morgen fuhr ich noch vor Sonnenaufgang aus dem Schlaf und war sofort hellwach. Ich habe einen Schiffbruch überlebt! dachte ich. Jetzt erst ging mir das wirklich auf. Ich kam mir vor wie neugeboren.
    Links vom See erhob sich eine unwegsame Hügellandschaft. Sie war von gelbem Gras und roten glockenförmigen Blumen bedeckt, die leicht in der kühlen Morgenbrise wogten.
    Noch ehe sich die Sonne am Himmel zeigte, stand ich auf einem der Hügelkämme. Auch von hier aus konnte ich das Meer nicht sehen. Ich schaute über weites Land, über einen Kontinent. Ich hatte schon Nord- und Südamerika besucht, aber dort

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