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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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Handgemenge von vor vielen Jahren nie mit dem Mord an König Laios in Verbindung gebracht, also wurde er, ohne es zu wissen, zum Mörder, der sein eigenes Verbrechen aufklären sollte. Er fragte einen Seher nach König Laios’ Mörder, aber der verweigerte ihm erst die Antwort, weil er die Wahrheit zu schrecklich fand; doch Ödipus, der alles tat, um seinem Volk zu helfen, konnte schließlich doch die Wahrheit aus ihm herauspressen. Der Seher gestand Ödipus, daß er, der König, selber der Schuldige sei. Erst da fiel Ödipus das Handgemenge auf der Landstraße wieder ein, und er glaubte dem Seher, daß er den Mord begangen hatte. Allerdings hatte er noch keinen Beweis dafür, daß er auch König Laios’ Sohn war, und das ließ ihm keine Ruhe. Er war ein gerechter Mann, der die ganze Wahrheit wissen wollte. Schließlich fand er die beiden alten Schäfer aus Theben und aus Korinth. Er stellte sie einander gegenüber, und nun wurde endgültig bestätigt, daß er seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet hatte. Als er das erkannte, stach er sich beide Augen aus. Im Grunde war er die ganze Zeit über blind gewesen, verstehst du?«
    Ich holte tief Luft. Ich fand diese alte Geschichte zutiefst tragisch und furchtbar ungerecht.
    »Das war ja nun wirklich ein echter Sippenfluch«, sagte ich.
    »Aber König Laios und Ödipus hatten beide mehrmals versucht, diesem Fluch, ihrem Schicksal, zu entfliehen – und das hielten die Griechen für ganz und gar unmöglich.«
    Als wir an Theben vorbeifuhren, schwiegen wir beide. Ich glaube, mein Vater dachte über das nach, was er seinen eigenen Sippenfluch nannte; jedenfalls sagte er noch lange kein Sterbenswörtchen. Ich holte, nachdem ich mir ausgiebig den Kopf über die tragische Geschichte von König Ödipus zerbrochen hatte, die Lupe und das Brötchenbuch hervor.

KARO ZWEI
    ... alter Meister empfängt wichtige Nachricht aus Heimat...
     
     
     
    Am nächsten Morgen erwachte ich von einem Hahnenschrei. Einige Sekunden lang glaubte ich mich daheim in Lübeck; aber noch ehe ich richtig wach geworden war, fiel mir der Schiffbruch wieder ein. Ich wußte noch, daß ich das Rettungsboot in einer kleinen, von Palmen umkränzten Lagune auf den Strand geschoben hatte. Und dann war ich ins Innere der Insel gewandert. Ich hatte mich an einem großen See schlafen gelegt, in dem ich durch ein wildes Gewimmel von Goldfischen geschwommen war.
    Erwachte ich am Ufer dieses Sees? Hatte ich von einem alten Seemann geträumt, der seit über fünfzig Jahren auf dieser Insel wohnte – und sie mit dreiundfünfzig quicklebendigen Zwergen bevölkert hatte? Ich beschloß, mir die Antwort auf diese Fragen gut zu überlegen, ehe ich die Augen öffnete. Es konnte nicht alles bloß ein Traum gewesen sein! Ich hatte mich in Frodes Haus oberhalb des kleinen Dorfes schlafen gelegt...
    Ich öffnete die Augen. Die Morgensonne warf goldene Strahlen in ein dunkles Blockhaus. Mir ging auf, daß meine Erlebnisse so wirklich wie die Sonne und der Mond waren.
    Ich stieg aus dem Bett und schlüpfte wieder in meine Kleider, die über Nacht nicht schöner geworden waren. Wo ist Frode? fragte ich mich. Gleichzeitig fiel mein Blick auf ein kleines Holzkistchen. Es stand auf einem Regalbrett über der Haustür. Ich nahm es herunter und sah, daß es leer war. In diesem Kistchen mußten vor der großen Verwandlung die alten Spielkarten gelegen haben. Ich stellte es wieder zurück und ging nach draußen. Vor dem Haus stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, Frode und blickte aufs Dorf. Ich trat neben ihn, aber wir schwiegen beide. Dort unten waren die Zwerge bereits hektisch am Werk. Dorf und Hang lagen in Sonnenschein gebadet.
    „Jokertag...“, sagte schließlich Frode. Für einen Moment nahm sein altes Gesicht einen besorgten Ausdruck an.
    „Jokertag?“ wiederholte ich fragend.
    „Wir frühstücken draußen, mein Junge. Setz dich einfach, ich bringe gleich das Essen.“
    Er zeigte auf einen Hocker, der an der Hauswand hinter einem kleinen Tisch stand. Auch im Sitzen hatte ich eine gute Aussicht: Einige Zwerge zogen einen Wagen aus dem Dorf, sicher Kreuze auf dem Weg zur Arbeit auf den Äckern. Aus der großen Werkstatt hörte ich lautes Scheppern.
    Frode brachte Brot und Käse, Milluckenmilch und heißen Tuff. Er setzte sich neben mich, und nach einer Weile begann er wieder zu erzählen.
    „Die erste Zeit auf der Insel nenne ich meine Patiencenzeit“, sagte er. „Ich war so einsam, wie es einem

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