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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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Touristeninformation, und ich blieb im Auto sitzen und sah mir all die kleinen Griechen an, während er sich nach einem passenden Hotel erkundigte.
    Als er wiederkam, lächelte er von einem Ohr zum anderen. »Hotel Titania«, sagte er. »Garage, schöne Zimmer und eine Dachterrasse mit Blick über ganz Athen. Wenn ich schon in Athen bin, will ich auch die Akropolis sehen.«
    Er hatte nicht übertrieben. Wir bekamen ein Zimmer im elften Stock, und schon von dort aus war die Aussicht atemberaubend. Trotzdem fuhren wir als erstes mit dem Fahrstuhl auf die Dachterrasse – man schaute tatsächlich direkt auf die Akropolis.
    Vater stand mucksmäuschenstill und konnte den Blick nicht von den alten Tempeln wenden.
    »Das ist unglaublich, Hans-Thomas«, sagte er schließlich. »Das ist einfach unglaublich!«
    Danach lief er eine Weile hin und her, und als er sich beruhigt hatte, setzten wir uns, und er bestellte ein Bier. Wir saßen dicht beim Geländer am der Akropolis zugewandten Ende der Terrasse. Als über dem ganzen alten Tempelgebiet auch noch eine Art Flutlicht eingeschaltet wurde, trat ein Glanz in Vaters Augen, daß ich mir schon langsam Sorgen um ihn machte.
    »Dahin gehen wir morgen, Hans-Thomas«, sagte er. »Und danach besuchen wir den alten Marktplatz, wo die großen Philosophen über viele wichtige Fragen gesprochen haben, die das heutige Europa leider vergessen hat.«
    Damit begann ein längerer Vortrag über die Philosophen in Athen, von dem ich kaum etwas mitbekam, weil ich die ganze Zeit an etwas anderes denken mußte.
    »Ich dachte, wir wären hergekommen, um Mama zu suchen«, unterbrach ich ihn schließlich.
    Inzwischen trank er Bier Nummer zwei oder drei.
    »Sind wir auch«, antwortete er. »Aber wenn wir nicht zuerst die Akropolis gesehen haben, haben wir vielleicht nichts, worüber wir mit ihr sprechen könnten. Und das wäre schlimm nach all diesen Jahren, findest du nicht auch?«
    Jetzt, wo wir so dicht am Ziel waren, ging mir allmählich auf, daß Vater im Grunde Angst davor hatte, Mama zu finden. Das war ein so schlimmer Gedanke, daß ich mir plötzlich beinahe erwachsen vorkam. Bisher hatte ich es für selbstverständlich gehalten, daß wir Mama finden würden, wenn wir nur erst in Athen wären. Und daß sich dann alle Probleme wie von selbst lösten. Jetzt wurde mir klar, wie naiv ich gewesen war. Es war nicht Vaters Fehler. Er hatte öfter gesagt, daß sie vielleicht nicht mit uns nach Hause kommen würde. Aber ich hatte diesen Gedanken einfach nicht an mich herankommen lassen. Ich hatte mir nicht vorstellen können, wie das möglich sein sollte, wo wir uns solche Mühe gaben, sie zu finden.
    Jetzt, wo ich begriff, wie kindisch ich gewesen war, tat Vater mir schrecklich leid. Und natürlich kam dazu eine ordentliche Portion Selbstmitleid. Ich glaube, das war auch der Grund für das, was dann passierte. Nach ein paar albernen Sprüchen über Mama und die alten Griechen fragte er nämlich: »Möchtest du ein Glas Wein probieren, Hans-Thomas? Ich möchte gern, aber allein Wein trinken ist langweilig.«
    »Erstens mag ich keinen Wein«, antwortete ich. »Und zweitens bin ich noch nicht erwachsen.«
    »Dann bestell ich was anderes, was dir schmeckt«, sagte er. »So lange dauert es gar nicht mehr, bis du erwachsen bist.«
    Er winkte dem Kellner und bestellte mir einen roten Martini und für sich einen Metaxa.
    Der Kellner sah erst mich und dann Vater verwundert an.
    »Really?« fragte er.
    Vater nickte, und der Kellner verschwand.
    Mein besonderes Pech war, daß der Inhalt meines Glases süß und lecker schmeckte und durch die vielen Eiswürfel noch dazu erfrischend. Ich trank zwei oder drei Gläser, ehe die Katastrophe eintrat: Mein Gesicht färbte sich kalkweiß, und ich wäre fast auf den Terrassenboden gesunken.
    »Aber mein Junge!« hörte ich Vater sagen.
    Er brachte mich auf unser Zimmer, und danach weiß ich nichts mehr, bis ich am nächsten Morgen erwachte. Ich fühlte mich ziemlich mies. Und ich glaube, Vater ging es nicht anders.

KARO SECHS
    ... ab und zu stiegen sie herab zur Erde und mischten sich unter die Menschen...
    Mein erster Gedanke nach dem Wachwerden war, daß ich Vaters ewige Trinkerei allmählich satt hatte. Da hatte ich nun den Vater mit dem vielleicht schärfsten Verstand nördlich der Alpen oder wenigstens von Arendal – und ausgerechnet dieser Verstand sollte sich schön langsam in Alkohol auflösen! Ich beschloß, daß wir das klären müßten, ehe wir Mama trafen.

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