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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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zwischen den Tischen herumwuselten.
    Für kurze Zeit erlitt ich einen Rückfall in die Vorstellung, daß diese Insel ein Reservat für unheilbar Geisteskranke sein mußte. Vielleicht war Frode ihr Krankenwärter, der plötzlich selber den Verstand verloren hatte. Alles, was er mir über den Schiffbruch und das Kartenspiel erzählt hatte – oder über die Phantasiefiguren, die plötzlich quicklebendig geworden waren –, konnten auch die Hirngespinste eines kranken Mannes sein. Ich hatte nur einen festen Anhaltspunkt: Meine Großmutter hatte wirklich Stine geheißen – und meine Eltern hatten mir von einem Großvater erzählt, der aus der Takelage gefallen war und sich dabei am Arm verletzt hatte.
    Vielleicht wohnte Frode wirklich seit über fünfzig Jahren auf der Insel; ich hatte von anderen gehört, die nach einem Schiffbruch ebenso lange überlebt hatten. Sicher hatte er auch ein Kartenspiel bei sich gehabt. Aber ich konnte nicht glauben, daß die Zwerge Frodes Phantasiegeschöpfe waren.
    Ich wußte, daß es noch eine andere Möglichkeit gab: All die seltsamen Ereignisse auf der Insel konnten sich auch einzig und allein in meinem eigenen Bewußtsein abspielen. Ich konnte selber plötzlich wahnsinnig geworden sein. Was hatten zum Beispiel die Beeren enthalten, die ich beim See mit den vielen Goldfischen gegessen hatte? Na ja, jetzt war es zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen...
    Ein Geräusch, das an eine Schiffsglocke erinnerte, riß mich aus meinen Gedanken. Dann spürte ich, daß mich jemand am Ärmel zog. Es war der Joker. Die Schiffsglocken waren die Schellen an seinem Clownsgewand.
    „Wie bewertet man die Lage der Karten?“ fragte er.
    Er blieb stehen und glotzte mit einer Miene zu mir hoch, die deutlich verriet, daß er mehr wußte als ich. Ich gab keine Antwort.
    „Sag“, fuhr der kleine Narr fort, „würdest du es nicht für ziemlich unwahrscheinlich halten, wenn etwas, woran jemand denkt, plötzlich im Raum außerhalb des Kopfes herumspringt, der es gedacht hat?“
    „Doch, unbedingt“, sagte ich. „Das ist natürlich ganz unmöglich.“
    „Unmöglich schon“, gab er zu. „Aber es scheint trotzdem eine Tatsache zu sein.“
    „Wie meinst du das?“
    „Wie ich es gesagt habe. Denn hier stehen wir beide und sehen uns an. Unter dem Himmel sozusagen... quicklebendig. Wie kann man wohl aus dem Kerker des Bewußtseins klettern? Was nimmt man dazu für eine Leiter?“
    „Wir waren vielleicht immer schon hier“, sagte ich im Versuch, ihn abzuschütteln.
    „Natürlich. Aber die Frage ist damit nicht beantwortet. Wer sind wir, Seemann? Woher kommen wir?“
    Es gefiel mir nicht, daß er mich in seine philosophischen Betrachtungen hineinzog. Aber ich mußte zugeben, daß ich seine Fragen allesamt nicht beantworten konnte.
    „Wir sind aus dem Jackenärmel des Zauberkünstlers geschüttelt worden und entdecken uns selber quicklebendig in der Luft“, rief er. „Seltsam, sagt der Joker! Und was meint der Seemann?“
    Erst jetzt bemerkte ich, daß Frode verschwunden war.
    „Wo ist Frode?“ fragte ich.
    „Man beantwortet erst die Frage des anderen, ehe man selber eine neue Frage stellt“, sagte er. Dann lachte er ein perlendes Lachen.
    „Wo steckt Frode?“ fragte ich noch einmal.
    „Er mußte an die frische Luft. Das muß man in diesem Stadium des Jokerspiels immer. Er hat solche Angst vor dem, was dabei herauskommt, daß er sich ab und zu in die Hose pißt. Und dann geht er besser nach draußen, meint Joker.“
    Ich fühlte mich auf einmal schrecklich einsam zwischen all den Zwergen im großen Festsaal. Kaum einen hielt es an seinem Platz. Überall wuselten die bunten Gestalten herum, wie Kinder auf einem viel zu großen Geburtstagsfest. Ob es wirklich nötig war, das ganze Dorf einzuladen? überlegte ich. Ich schaute dem Treiben zu, und mir ging auf, daß es sich hier jedenfalls um kein normales Geburtstagsfest handelte. Eher war es ein großer Karneval, in dem sich alle als Spielkarten verkleiden mußten. Und wo man allen ein Schrumpfmittel verabreicht hatte, damit sie auch Platz fanden. Ich selber war nur etwas zu spät auf dem Fest erschienen, um etwas von dem geheimnisvollen Getränk abzubekommen.
    „Man möchte das glitzernde Getränk vielleicht kosten?“ fragte der Joker mit einem heimtückischen Lächeln um die Mundwinkel.
    Er hielt mir eine kleine Flasche hin, und ich war so verwirrt, daß ich sie an den Mund setzte und einen Schluck daraus trank. Eine kleine Kostprobe

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