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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Hause kam, hockte ich auf der Treppe und hörte Mutter zu, wie sie ihre alten Lieblingsstücke übte: Debussy, Vaughan Williams und zuletzt ein paar Schlager von früher.
    » Pst! « , machte ich mit dem Finger auf den Lippen.
    » Gott schütze sie. « Gwens Gesicht hellte sich auf. Sie setzte sich neben mich und legte mir einen Arm um die Schultern.
    Beim Abendessen sprach ich das Thema an. » Schön, dass du wieder spielst, Mutter. «
    Sie wurde rot vor Verlegenheit. » Ich bin so eingerostet. Meine Finger wollen einfach nicht so, wie sie sollten. «
    » Für uns klang das großartig « , sagte Gwen.
    » Die Routine wird schnell zurückkommen, wenn du regelmäßig übst. Sobald du wieder sicher bist, veranstalten wir ein kleines Benefizkonzert für das Rote Kreuz « , schlug ich vor und ignorierte ihr entsetztes Gesicht. » Wir könnten Tee und Kuchen servieren und bei dieser Gelegenheit um Spenden bitten. Bestimmt kommen all jene, die einen Angehörigen im Krieg haben, und geben auch gerne etwas für den guten Zweck. Außerdem freut sich jeder in dieser traurigen Zeit über eine Abwechslung mit fröhlicher Musik. «
    » Ich bin noch lange nicht gut genug, um in der Öffentlichkeit zu spielen « , sagte sie entschlossen.
    Immerhin begann sie jeden Tag konsequent zu üben, und nach wenigen Wochen überzeugten wir sie bereits, dass sie gut genug sei. Wir setzten einen Termin für das Konzert fest, hängten Plakate auf und backten Kuchen. Vera überredete die Oberschwester, ihr das Wochenende freizugeben. Wir schleppten dreißig Stühle aus der Kantine über den Hof und quetschten sie in den Salon und den Flur. Als der Nachmittag kam, standen die Leute Schlange, und längst nicht alle fanden einen Sitzplatz.
    Während Mutter zu spielen begann, blieb ich an der Tür stehen, um Zuspätkommende zu begrüßen. Plötzlich hörte ich das vertraute Motorgeräusch eines Sportwagens. Robbie Cameron. Ich erschrak zutiefst.
    » Deine Mutter hat mir geschrieben und von ihrem Konzert erzählt « , rief er fröhlich, als er die Stufen heraufkam. Tat so harmlos, als hätte es bei unserem letzten Zusammentreffen keine äußerst unschöne Szene gegeben. » Ich bin hier, um meine Unterstützung anzubieten. Ihr habt alle viel mitgemacht im letzten Jahr. Dein Vater tot, dein Bruder in Kriegsgefangenschaft … Es muss für euch alle ganz schön hart sein. «
    Ich sagte nichts, gestattete ihm aus purer Höflichkeit einen Kuss auf die Wange und führte ihn auf direktem Weg in den Salon. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte, war an jenem schicksalhaften Abend im Garten gewesen, und nach wie vor war ich mir nicht sicher, ob er bei der Inhaftierung der Jungen nicht doch die Hände im Spiel hatte. Nach dem Tod meines Vaters kam von ihm ein ziemlich förmlicher Kondolenzbrief, danach lange Zeit nichts.
    Mutter spielte wunderschön. Vera, Gwen und ich hörten ergriffen zu und waren den Tränen nah. Die Zuhörer applaudierten und forderten eine Zugabe. Anschließend gab es Tee und Kuchen. Unauffällig beobachtete ich Robbie, der sich von seiner besten Seite zeigte, sich allen gegenüber charmant und höflich benahm und Mutter mit Komplimenten überhäufte. Trotzdem war ich froh, als er sich verabschiedete und ich endlich wieder frei atmen konnte.
    Mutter war in absoluter Hochstimmung angesichts der zahllosen Lobeshymnen, und an diesem Tag fing ich an zu glauben, dass wir uns alle irgendwann von Vaters Tod erholen würden. Wenn bloß John und Stefan sicher nach Hause kamen.
    Wenig später an einem schönen, hellen Julimorgen – ich überflog rasch die Zeitung, bevor ich zur Arbeit aufbrach – fiel mein Blick auf eine Schlagzeile.
    » Musst du dieses düstere Zeug lesen? « , rief Gwen durch die Küchentür, während sie sich vor dem Flurspiegel die Haare bürstete. » Es ist so was von deprimierend. «
    Es war eine ziemlich versteckte Nachricht ganz unten auf Seite fünf, die man leicht hätte übersehen können. » Komm her und schau dir das an « , rief ich durch die Tür.
    » Und du wirfst besser mal einen Blick auf die Uhr. Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät zur Arbeit. «
    » Trotzdem, sieh es dir schnell an. «
    Sie stieß einen Seufzer aus und legte die Hand auf meine Schulter, während sie sich über mich beugte und las:
    Internierte können Soldaten werden
    Großbritanniens Internierte in Australien wurden darüber informiert, dass sie freikommen, sofern sie sich um Aufnahme in das britische Pionierkorps bemühen und

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