Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
Vom Netzwerk:
Ministerien herumsitze. Das ist manchmal schwer zu ertragen. «
    » So dürfen Sie das nicht sehen. Mit dem, was unsere Firmen machen, tragen wir ebenfalls zu Kriegsanstrengungen bei – und dazu, vielleicht das Leben von Piloten zu retten. «
    » Im Augenblick sicher, da haben Sie recht « , meinte er und beugte sich über den Tisch zu mir herüber, senkte die Stimme. » Kann ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, Lily? «
    » Natürlich. «
    » Es ist wirklich wahnsinnig aufregend und, wenn es klappt, von höchster Wichtigkeit. Heute Morgen vor der Ausschusssitzung hatte ich ein Treffen mit Sir Georges Leuten im Ministerium. Wir haben einen Plan eingereicht, wie wir Seide aus dem Nahen Osten – aus Syrien und dem Libanon – beschaffen können, um den fehlenden Nachschub aus China und Japan zu kompensieren. Mein Vater war vor ein paar Jahren in diesen Ländern und unterhält dort noch gute Kontakte. Das Ministerium hat mich nun beauftragt, die Sache in Angriff zu nehmen. «
    » Meine Güte! Das hört sich ja abenteuerlich an. «
    » Die Bergbauern in diesen Gegenden züchten seit Jahrzehnten Seidenraupen, jedoch bisher bloß für den eigenen Gebrauch. Nicht in großem Maßstab. Meine Aufgabe wird es sein, ihnen beim Aufbau der entsprechenden Zuchtanlagen und Produktionsstätten zu helfen. «
    » Wie um alles in der Welt wollen Sie dorthin gelangen? Sie können ja nicht über Frankreich fliegen oder übers Mittelmeer. Und auch nicht über Nordafrika. «
    » Es wird nicht ganz einfach werden. « Er rieb sich die Nase. » Eine genaue Reiseroute muss noch ausgearbeitet werden. Es war die Rede von einem Flugboot den Nil hinunter nach Kairo. «
    » Großartig! Vielleicht können Sie ja doch noch so nebenbei nach einer Nilquelle suchen. Wann brechen Sie auf? «
    » Bald, denke ich. Sie organisieren mir vorher einen Schnellkurs in Arabisch. « Seine violett schimmernden Augen strahlten. » Klingt fantastisch, oder? «
    » Ja, und zugleich ein wenig beängstigend. «
    » Können wir in Kontakt bleiben? «
    » Natürlich. Aber … « , fing ich an.
    » Kein Aber. « Er legte den Finger auf die Lippen. » Niemand kann in diesem verdammten Krieg irgendwem irgendetwas versprechen. Wir können nur hoffen. «
    Im Zug auf der Heimfahrt ließ ich den Tag noch einmal Revue passieren und dachte zufrieden, dass er sehr erfolgreich für mich verlaufen war. Ich hatte meinen ersten Auftritt als geschäftsführender Direktor von Verner’s mit Bravour gemeistert, mich gegen ausgefuchste Geschäftsleute ebenso behauptet wie gegen die königlichen Streitkräfte und Tee mit einem reizenden jungen Mann getrunken.
    Freudestrahlend betrat ich das Kastanienhaus, sehnte mich nach einem Drink, doch mein fröhliches » Hallo, bin wieder da « wurde nicht beantwortet. Erst als ich die Treppe hinaufging, um in Mutters Zimmer nachzuschauen, hörte ich Gwen aus der Küche rufen: » Lily, wir sind hier! « Ihre Stimme klang so merkwürdig, und mit bangem Herzen machte ich kehrt. Fand sie mit Vera am Küchentisch.
    » Vera, wie schön. Hast du einen freien Tag? « Die Worte waren kaum über meine Lippen gekommen, als ich das Telegramm in ihrer Hand und ihre rot geweinten Augen sah.
    » John wird vermisst. «

Kapitel 17
    Die Seidenraupe kann sich selbst mithilfe des Seidenfadens, den sie spinnt, zum Boden hinablassen. In den Zwanzigerjahren gründete Leslie Irvin, Inhaber der Irvin Air Chute Company, einen informellen, elitären Verein namens Caterpillar Club für all jene, die sich mit einem Fallschirm aus einem manövrierunfähigen Flugzeug gerettet haben. Nach einer Echtheitsprüfung durch den Fallschirmhersteller erhält der Bewerber einen Mitgliedsausweis und eine unverwechselbare Anstecknadel.
    Aus: Die Geschichte der Seide von Harold Verner
    Zwei bange, lange Wochen vergingen. Eines Tages, als ich von der Arbeit nach Hause kam, traf ich Mutter angezogen am Küchentisch sitzen.
    » Geht es dir gut? « , fragte ich und bemühte mich um einen normalen Tonfall, denn seit der Nachricht, dass John vermisst wurde, regte sie sich noch schneller auf. Allerdings war ich mehr als verwundert, sie hier unten vorzufinden.
    » Johns Staffelführer hat angerufen, Liebes « , sagte sie aufgeregt, und hektische Flecken bildeten sich auf ihren blassen Wangen. » Er lebt und befindet sich in Kriegsgefangenschaft. «
    » O Mutter, wie wunderbar! « Ich umarmte ihren ausgezehrten Körper und setzte mich, ohne ihre Hände loszulassen. Die Spätnachmittagssonne erfüllte

Weitere Kostenlose Bücher