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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Geste, die mich sehr an den Silvesterabend vor sechs Jahren erinnerte, als wir uns kennenlernten. An die Zeit, bevor er mich drangsalierte und mir drohte. An mein Leben vor Stefan.
    Ich weiß nicht, ob ich Ja gesagt habe, doch mit einem Mal fand ich mich in Robbies Armen wieder, tanzte Walzer und Foxtrott, als hätte es nie Missstimmungen zwischen uns gegeben. Gwen bedachte mich kurz mit einem erstaunten Blick, bevor sie sich wieder anderen zuwandte.
    Nach einer Weile fing die Band an, jazzigere Stücke zu spielen, und Robbie wirbelte mich herum, bis mir schwindlig wurde und ein bisschen übel. Er führte mich zu den Stufen eines Lebensmittelladens und ging los, um mir ein Glas Wasser zu besorgen. Während ich wartete, dass es mir besser ging, wechselte die Band zu Ragtime. Stefans Musik. Mit einem Mal wurde ich von einer fast unerträglichen Trauer überwältigt. Als ich das letzte Mal diese Melodie gehört hatte, spielte er sie, und seine schlanken Finger tanzten über die Tasten von Mutters Stutzflügel. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf und weinte mir meinen Kummer von der Seele. So fand mich Robbie.
    » Lily? « Er sah mich besorgt an. » Mein liebes kleines Mädchen, das Ganze ist offenbar ein bisschen zu viel für dich. Ich sollte dich besser nach Hause schaffen. «
    Dankbar stützte ich mich auf seinen Arm und ließ mich von ihm die Straße hinunter zum Kastanienhaus führen. Dort brühte er Kaffee auf und setzte sich zu mir aufs Sofa, legte vertraulich den Arm um meine Schultern. Während ich schluckweise meinen Kaffee trank, wurde mir die merkwürdige Situation bewusst.
    » Fühlst du dich besser? « , fragte Robbie. Ich nickte, doch das traf in Wahrheit nur auf meine körperlichen Beschwerden zu. Ansonsten nämlich verspürte ich ein wachsendes Unbehagen. Was tat ich eigentlich im Arm des Mannes, den ich bislang mehr als jeden anderen auf dieser Welt gehasst hatte? » Robbie, warum bist du heute Abend eigentlich so nett zu mir? « , sagte ich, ohne nachzudenken.
    Er lachte und strich mir über die Haare. » Was für eine seltsame Frage. Wir haben endlich Frieden – es ist der beste Tag seit Jahren. Außerdem bin ich immer nett, oder nicht? «
    » Nein, nicht immer. « Ich beschloss, reinen Tisch zu machen. » Nicht als du mich wegen der Seide schikaniert hast. Oder als du drohtest, Vater von Stefan zu erzählen. «
    Er richtete sich auf und blickte mich verletzt an. » Das bildest du dir ein, Kleines « , antwortete er glatt. » Ich kann mich nicht erinnern, dir je mit irgendetwas gedroht zu haben. «
    » Und dann wurden Stefan und die beiden anderen Jungen interniert « , beharrte ich und blickte ihm direkt in die Augen. » Hattest du damit irgendetwas zu tun? « Diese Frage brannte mir schon so lange auf der Seele, und sie endlich ohne Rücksicht auf Verluste stellen zu können, war ein herrlich befreiendes Gefühl.
    Er wirkte sichtlich schockiert. » Um Himmels willen, Lily, ich war gekränkt, weil du mich zurückgewiesen hast. Und falls ich irgendetwas Unpassendes gesagt haben sollte, lag das allein an meiner Eifersucht. Man kann mir alles Mögliche nachsagen, aber bösartig bin ich nicht. Die Behörden hatten Unterlagen über alle sogenannten feindlichen Ausländer. Es war reine Routine. « Er ließ die Schultern hängen. » Was denkst du bloß von mir, Lily? «
    Konnte ich ihm wirklich glauben? Ich wusste es nicht, und so wandte ich mein Gesicht von ihm ab, damit er meine Zweifel nicht sah.
    » Meine liebe Lily « , murmelte er und wollte mein Gesicht wieder herumdrehen. » Der Krieg ist vorbei. Können wir nicht vergessen und vergeben? Ich fände es schön, wenn wir in Zukunft Freunde sein könnten. «
    Er beugte sich vor, und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete ich, er würde mich küssen wollen, doch zu meiner großen Erleichterung hörten wir genau in diesem Augenblick Gelächter auf der Eingangstreppe. Mutter und Gwen kehrten zurück, und Robbie brachte endlich eine schickliche Distanz zwischen uns. Gemeinsam nahmen wir noch ein paar Drinks und sprachen über diesen bedeutsamen Tag, über die Zukunft und natürlich über John, der nun hoffentlich bald heimkehrte.
    Wie ich ins Bett gekommen bin, weiß ich nicht mehr – jedenfalls trug ich am nächsten Morgen, als ich mit einem üblen Kater erwachte, noch immer mein Kleid vom Vortag.
    Vorsichtig stieg ich die Treppe hinunter, damit mein Kopf nicht noch mehr schmerzte, und betrat die Küche. Zwei Nachrichten lagen auf dem Tisch. Eine

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