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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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und goss sich großzügig Soße über den Kartoffelbrei. » Ab nächster Woche wird die Regierung sämtliche Vorräte an Rohseide beschlagnahmen, sodass ausschließlich Fabriken mit Lieferverträgen für kriegswichtige Erzeugnisse Zuteilungen bekommen. Wer nicht dazugehört, muss vermutlich irgendwann schließen. Ein unausdenkliches Desaster. Doch so, wie es jetzt aussieht, dürften wir mehr zu tun bekommen als je zuvor. Gut gemacht. «
    Als John sein Glas hob, um auf unseren Erfolg anzustoßen, fiel mir ein, was er plante. Er machte sich das alles ganz schön einfach, dachte ich verbittert. So wie die Dinge lagen, würde er nicht einmal mehr da sei, um uns zu helfen.
    Ein paar Tage später entdeckte ich Robbie in der Weberei. Er stand auf der Treppe zum ersten Stock und betrachtete von oben die Maschinen. In seinem teuren Nadelstreifenanzug und mit einer glänzend schwarzen Aktentasche unter dem Arm sah er neben den Webern in ihrer Arbeitskluft wie ein Wesen aus einer anderen Welt aus.
    Gwen ging zu ihm hinüber, und er beugte sich zu ihr herunter, brüllte ihr etwas ins Ohr. Als sie kurz darauf gemeinsam den schmalen Gang zwischen den Webmaschinen entlangmarschierten, ließ sie sich ein paar Schritte zurückfallen und imitierte sein militärisches Gehabe: gerader Rücken, Kinn nach oben. Ein Dutzend Weber schauten zu und amüsierten sich köstlich. Robbie winkte huldvoll in dem Glauben, dass ihr Lächeln ihm galt.
    » Toller Tag « , rief er. » Habe grade den Fallschirmvertrag mit deinem Vater unterschrieben. Kannst du eine Pause machen? « Er deutete zur Seitentür, die offen stand, damit die Luft in der Halle zirkulieren konnte. Ich nickte, öffnete meinen Overall, zog mein Kopftuch herunter, richtete meine Frisur und gab Stefan ein Zeichen, auf meine Webstühle zu achten. Als wir hinausgingen, verfolgte mich sein Blick, was wiederum Gwen bemerkte.
    » Puh, ist das heiß da drin. Keine Ahnung, wie du das aushältst « , sagte Robbie, sobald wir draußen waren. » Wer ist der Schwerenöter? «
    » Wen meinst du mit ›Schwerenöter‹? «
    » Den Kerl an der Webmaschine neben dir. «
    » Einer von den deutschen Jungen. Wieso Schwerenöter? «
    » Vertrau niemals diesen heißblütigen Typen vom Kontinent « , sagte er. Eine leichte Schärfe schwang in seiner Stimme mit.
    Während ich noch nach einer angemessenen Antwort suchte, ohne allzu defensiv zu klingen, wechselte er bereits das Thema: » Hör zu, Lily, leider wird es nicht klappen mit unserem Trip zu den Peaks. Gab Probleme mit dem Flugzeug. Hoffentlich bist du mir nicht allzu böse. «
    Böse? Gott sei Dank, dachte ich. Ich hatte den Augenblick bereits gefürchtet, wenn er auf die Sache zurückkommen würde, um feste Verabredungen zu treffen. Trotzdem war ich noch nicht von der Angel, denn Robbie hatte natürlich eine Alternative parat. » Wir haben uns stattdessen überlegt, am Sonntag nach Cambridge zu fahren « , schlug er vor. » Einen Stechkahn zu mieten, Picknick zu machen. Das Wetter ist herrlich, und ich brauche ein bisschen Zerstreuung. Was meinst du dazu? «
    » Klingt gut « , sagte ich erleichtert. » Wer ist ›wir‹? «
    » Ein paar Freunde. Und du, hoffe ich. «
    Alle Bedenken waren wie fortgeblasen. In einer größeren Gruppe würde er kaum aufdringlich werden. Ich war schon ein paarmal in Cambridge gewesen und wusste, dass es eine schöne, romantische Stadt ist. Aber mit einem der berühmten Stechkähne war ich noch nie gefahren. Und wir würden Champagner trinken, hatte Robbie versprochen. Absolut glamourös und genau das, was ich im provinziellen Westbury ab und an vermisste. Warum also sollte ich nicht auf den Vorschlag eingehen?
    Der Tag begann wolkenlos, und das Wetter war perfekt für den Ausflug. Als Robbie mich am Morgen abholte, fühlte ich mich wie eine Königin in meinem hübschen Kleid mit den Spaghettiträgern und farblich passenden Sandaletten und ließ mich erwartungsvoll zu dem offenen Wagen führen. Die Messingknöpfe an Robbies Blazer glänzten in der Sonne, und meine Eltern winkten uns zufrieden lächelnd nach. John war nirgends zu sehen. Ich fragte mich, ob er vielleicht gekränkt war, weil Robbie ihn nicht eingeladen hatte, dachte jedoch nicht weiter darüber nach.
    Bei unserer Ankunft am Fluss wartete bereits der Stechkahn. Karierte Decken lagen bereit, und der große Picknickkorb war ebenfalls schon gebracht worden.
    » Sollten wir nicht auf die anderen warten? « , fragte ich, als wir uns anschickten

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