Das Kastanienhaus
findet sich bestimmt. «
Nein, protestierte ich stumm. Der Gedanke, dass Robbie in unserem Haus schlafen sollte, war mir zutiefst zuwider. Ich richtete all meine Energie und Konzentration auf ihn, als vermöchte ihn die Kraft meiner Gedanken zum Gehen veranlassen. Vergeblich.
» Ihr Abendessen riecht so köstlich, dass ich Ihre freundliche Einladung zum Essen gerne annehme, aber darüber hinaus möchte ich Ihnen nicht zur Last fallen. « Erleichtert atmete ich auf. » Ich werde mich für die Nacht im Gasthaus einquartieren. Der › Anchor ‹ ist recht gemütlich und wird mir vollauf genügen. «
Das Abendessen war eine Tortur. Ich wartete und wartete, dass er sich endlich verabschiedete, doch er machte es sich richtig gemütlich, überhäufte Mutter mit Komplimenten wegen ihrer Kochkünste, ließ sich bei jedem Gang zu einem Nachschlag überreden, als müsse er beweisen, dass es ihm wirklich schmeckte. Wie konnte er es wagen, sich bei meiner Familie derart einzuschmeicheln? Ich selbst beteiligte mich so gut wie gar nicht am Tischgespräch, weil ich nur daran dachte, was Stefan mir wohl mitzuteilen hatte.
Als die Uhr zehn schlug, servierte Mutter gerade erst den Kaffee. Um halb elf entschuldigte ich mich und ging in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und wartete, dass die Zeit verging. Erschöpft nickte ich ein, und als ich endlich aus einem unruhigen Dämmerschlaf aufschreckte, war es zwei Minuten vor Mitternacht.
Leise schlüpfte ich zur Hintertür in die pechschwarze Nacht hinaus. Kein Mondschein, keine Sterne, keine Straßenbeleuchtung. Während ich noch darauf wartete, dass meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, bemerkte ich am Rand der Terrasse eine Bewegung, das rote Aufglimmen einer Zigarette und eine dünne Rauchfahne, die in die Luft stieg. Mein Herz machte einen Sprung.
» Stefan? « , rief ich flüsternd.
Keine Antwort. Dann löste sich eine große Gestalt aus den Schatten.
» Robbie? Was zum Teufel tust du hier? « Mit ihm hatte ich weiß Gott nicht gerechnet.
» Das Gleiche könnte ich dich fragen « , sagte er anzüglich.
» Wolltest du nicht ins Gasthaus « , hakte ich nach.
» Grace und Harold haben darauf bestanden, dass ich bleibe. « Grace und Harold. Die vertrauliche Erwähnung meiner Eltern widerte mich an. » Ich wollte gerade zu Bett gehen, als mir einfiel, dass ich das Verdeck des Morgan nicht geschlossen hatte. Welch ein absonderlicher Zufall, dich um diese Zeit hier zu treffen « , sagte er ironisch und bot mir eine Zigarette an.
» Nein danke. Ich wollte nur ein wenig frische Luft schnappen « , sagte ich betont beiläufig, während meine Gedanken sich geradezu überschlugen. Ich musste Robbie so schnell wie möglich loswerden, ihn ins Haus lotsen oder irgendeine Ausrede erfinden, um mich selbst davonzumachen. Vielleicht konnte ich ja zurück ins Haus gehen und zur Vordertür wieder hinausspazieren. Hoffentlich hatte Stefan überhaupt so lange gewartet. » Wie auch immer « , sagte ich entschlossen, » es ist ein bisschen kalt hier draußen. Ich gehe lieber zurück ins Bett. « Doch Robbie war nicht dumm und durchschaute mich ganz offensichtlich. Er merkte, dass ich log, aber das war mir egal.
» Bevor du gehst « , sagte er und verstellte mir den Weg, » habe ich eine kurze Frage. «
» Nur zu « , antwortete ich betont munter. » Aber mach schnell, ich will mir nicht den Tod holen. «
» Hattet ihr hier in der Gegend in letzter Zeit Probleme mit Einbrechern? «
» Nicht dass ich wüsste « , sagte ich. Worauf zum Teufel wollte er hinaus?
» Würdest du es dann als eher ungewöhnlich betrachten « , sagte er hinterhältig, » dass sich mitten in der Nacht ein Mann auf eurer Streuobstwiese herumtreibt? «
Mein Magen krampfte sich zusammen. » Ja, durchaus « , stammelte ich und befürchtete das Schlimmste.
Seine Stimme klang jetzt richtig niederträchtig. » Es sei denn, nehme ich an, es würde sich dabei um diesen jungen Deutschen handeln, diesen Stefan, mit dem du mich verwechselt hast? «
Verdammt, er wusste es, und mir blieb nur noch die Flucht nach vorne. Entschlossen straffte ich meine Schultern, schob energisch das Kinn vor. » Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst, Robbie. Und mir gefällt dein Tonfall absolut nicht. Also, mir wird langsam kalt, und ich möchte ins Bett. Würdest du bitte beiseitetreten und mich vorbeilassen? «
Er rührte sich nicht vom Fleck, zog gelassen an seiner Zigarette, und trotz der Dunkelheit konnte ich das triumphierende
Weitere Kostenlose Bücher