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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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keine große Hilfe. « In Wahrheit hoffte ich verzweifelt, Stefan heute irgendwo alleine zu erwischen, um das Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Deshalb hatte ich keine Lust, den ganzen Tag unterwegs zu sein.
    » Das mit dem Fahren können wir ja bei der Gelegenheit ändern. « Gwen ließ sich nicht abwimmeln und ignorierte meine Einwände. » Bitte Lily. Heute ist der einzige Tag, an dem ich wegkann, und wir brauchen die Rohseide wirklich dringend. «
    Ich hatte keine Wahl. » Na gut, gib mir eine halbe Stunde, um mich fertig zu machen. «
    » Du bist ein Schatz « , sagte sie.
    Nachdem wir Westbury hinter uns gelassen hatten, fuhr sie links ran.
    » Du bist dran « , sagte sie.
    » Was? Ich kann nicht fahren. «
    » Mach dir keine Sorgen, ich bringe es dir bei. Es ist kein Verkehr, und die Straße verläuft ziemlich gerade « , sagte sie. Wir tauschten die Plätze, und sie zeigte mir, wie ich den Sitz für meine Größe einstellen konnte, und erklärte mir anschließend eins nach dem anderen. Wie man schaltete, wie man die unterschiedlichen Pedale bediente und was sonst noch. Als ich nach dem Schalthebel griff, legte sie ihre Hand auf meine, um mir zu zeigen, wo sich die verschiedenen Gänge befanden, oben und unten, vorne und hinten.
    » Ich kann das « , sagte ich und schüttelte ihre Hand ab.
    » Okay « , meinte sie. » Dann lass ihn mal an. «
    Ich startete den Motor und versuchte anzufahren, würgte den Wagen mehrmals ab, sodass er Bocksprünge machte, doch irgendwann hatte ich den Bogen raus. Erster Gang, Kupplung kommen lassen und anfahren – unser alter Lieferwagen setzte sich tatsächlich in Bewegung. Und als wir dann richtig Fahrt aufnahmen, Meile um Meile zurücklegten, fing ich sogar an, es zu genießen. Ich begriff plötzlich, was Männern daran so gut gefiel. Autofahren hatte irgendwie zu tun mit einem Gefühl von Macht und Freiheit. Alles schien möglich. Neue Orte entdecken, den Alltag vergessen, indem man ihm entfloh.
    Gwen schien meinen Stimmungsumschwung zu spüren. » Tolles Gefühl, oder? « , sagte sie und fügte dann in einer Art Singsang hinzu: » ›Der offene Weg, die staubige Landstraße, die Heide, die Hecken, die Hügelketten, die sich wie Wellen erstrecken!‹ «
    » ›Heute hier, morgen da! Reise, Wechsel, Zeit, Erregung!‹ « , setzte ich das Zitat fort und vergaß endgültig meine schlechte Laune.
    » ›Die ganze Welt liegt vor euch und ein Horizont, der sich immer verändert‹ « , schloss sie lachend. » Armer alter Kröterich. Er nahm so ein klebriges Ende. «
    » Stimmt. Aber jetzt verstehe ich, warum er es für wert befand. «
    Eine Weile fuhren wir schweigend weiter.
    » Lily? « , sagte sie.
    » Ja? «
    » Die Sache mit Stefan tut mir leid. «
    » Mir auch. « Ich würde ihr nicht so einfach verzeihen.
    » Ich hatte keine Wahl, als Harold mir die Anweisung gab – er ist nun mal der Boss. «
    » Na ja, jetzt ist es ohnehin egal. Stefan redet nicht mehr mit mir « , sagte ich.
    Mit Bravour bog ich auf die Great North Road ein und schob den jämmerlich knirschenden Schalthebel erneut durch alle Gänge, bis wir das beachtliche Tempo von fünfundvierzig Meilen pro Stunde erreichten.
    » Das ist kaum überraschend « , sagte sie aus heiterem Himmel.
    » Was ist kaum überraschend? «
    » Stefan. Dass er nicht mit dir spricht. Seit Donnerstag. «
    » Hör bitte auf, in Rätseln zu sprechen. Was war am Donnerstag? «
    » Robbie Cameron. Er hat bei euch übernachtet. «
    Das war es also. Stefan hatte aus Robbies Anwesenheit völlig falsche Schlüsse gezogen. Dass ich nicht selbst darauf gekommen war, obwohl es doch so naheliegend war. Entweder hatte er den Morgan in der Einfahrt gesehen oder, noch schlimmer, mich und Robbie auf der Terrasse. Wie sollte er wissen, dass Robbie mir gedroht, mich erpresst und mir diesen Kuss aufgezwungen hatte?
    Wie Schuppen fiel es mir von den Augen: Der Grund für seine Kälte war nicht Wut oder Angst, sondern Eifersucht. Er dachte, ich hätte ihn betrogen. Ich musste zu ihm. Am liebsten hätte ich den Lieferwagen auf der Stelle gewendet und wäre zurückgefahren, um ihn zu küssen und zu umarmen und mir von ihm versichern zu lassen, dass alles wieder gut war.
    Die Straße verschwamm, als meine Augen sich mit Tränen füllten. Gwen sah besorgt zu mir herüber. » Fahr links ran, Lily. Da in die Parkbucht « , forderte sie mich auf.
    Schlingernd verließ ich die Straße, kam rutschend zum Stehen. Und weil ich vergaß, den Gang

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