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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Lächeln in seinem Gesicht sehen. » Frostige Miss Lily « , sagte er höhnisch, warf die Kippe weg und streckte die Hände nach mir aus. » Soll ich dich wärmen? «
    » Nein, sollst du nicht. « Ich schob seinen Arm weg. » Und jetzt lass mich vorbei, bitte. «
    Er packte meine Schultern so heftig, dass ich fast geschrien hätte. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt mich unerbittlich fest. Sich gegen ihn zu wehren war, wie ich aus leidvoller Erfahrung wusste, zwecklos, und so wappnete ich mich für das, was als Nächstes passieren würde. Ein erzwungener Kuss, eine Hand zwischen meinen Schenkeln oder Schlimmeres. Mein Herz hämmerte so laut in meiner Brust, dass ich glaubte, es müsse explodieren.
    Vorerst tat er jedoch nichts dergleichen, hielt mich lediglich fest und blies mir seinen Whiskyatem ins Gesicht. » Jetzt hör mir mal gut zu « , flüsterte er heiser. » Ich werde das Folgende bloß einmal sagen. Ich weiß, was für ein Spielchen du spielst, du kleines Flittchen. Was würde Harold wohl tun, wenn er wüsste, dass dieser miese kleine Deutsche sich mitten in der Nacht in seinem Garten herumdrückt? «
    Es war eine rhetorische Frage, auf die er keine Antwort erwartete.
    » Oder dass seine geliebte Tochter ein kleines Techtelmechtel mit diesem Burschen hat? «
    » Wie kannst du es wagen … « , spuckte ich ihm entgegen, doch er redete einfach weiter.
    » Jeder vernünftige Mann würde ihn als Spion anzeigen, oder? Ihn als feindlichen Ausländer internieren oder zu den Nazis zurückschicken. Genau das passiert nämlich in Kriegszeiten. «
    » Mein Vater würde nichts dergleichen tun « , sagte ich heftig und versuchte jetzt doch, mich aus seinem Griff zu befreien. » Und außerdem geht dich das gar nichts an. «
    » So, glaubst du « , sagte er drohend. » Das geht mich sogar sehr viel an. Sobald die Gefahr besteht, dass irgendjemand Geheimnisse der Fallschirmproduktion verraten könnte, bin ich verpflichtet, das zu melden. «
    » Das ist lächerlich « , sagte ich, » und das weißt du auch. « In Wahrheit wusste ich, dass er soeben eiskalt seine größte Trumpfkarte ausgespielt hatte, der ich nichts entgegenzusetzen hatte. Kein einziges Argument, das stach. Er hatte mich in der Hand, und er nutzte das sogleich aus.
    » Und jetzt « , sagte er, » glaube ich, dass du mir etwas schuldest. « Zwei Hände legten sich um meinen Kopf und hoben mein Gesicht zu ihm hoch, seine Lippen pressten sich auf meine, und seine eklige Zunge zwängte sich in meinen Mund. Es schmeckte abscheulich. Vergeblich wehrte ich mich und versuchte mich loszureißen. Hilflos musste ich es über mich ergehen lassen. Schließlich ließ er von mir ab – nur sein Arm lag noch um meiner Schulter.
    » Meine süße kleine Lily « , flüsterte er mir ins Ohr, » du bist ziemlich unwiderstehlich, weißt du das? Vor allem wenn du so tust, als seist du unerreichbar. Aber glaub ja nicht, dass ich deine Weigerung auf Dauer akzeptiere. Ich kriege dich schon rum, weil ich immer alles bekomme, was ich will. Vielleicht bist du eines Tages sogar als Heiratskandidatin interessant, wenn du dich nicht mehr wie ein alberner Backfisch zierst. «
    Ich fühlte mich erniedrigt und beschmutzt, sehnte mich danach, mir den Mund auszuwaschen und seinen Geschmack auszuspucken.
    » Unser kleines Gespräch hat mir gut gefallen « , sagte er, während er mir die Wange streichelte. » Eine sehr nette Überraschung. Doch jetzt ist es an der Zeit, ins Bett zu gehen, meinst du nicht? « Er trat einen Schritt zur Seite und komplimentierte mich durch die Tür.
    Ich rannte nach oben ins Badezimmer und konnte es kaum erwarten, Robbie Cameron von meiner Haut zu schrubben. Obwohl ich mir zweimal die Zähne putzte, meinte ich seinen Atem immer noch zu schmecken und verbrachte den Rest der Nacht in einer Mischung aus Wut und Angst. Ich war verzweifelt, weil ich Stefan nicht gesehen hatte. Was wollte er mir sagen? Was mochte er sich gedacht haben, als ich nicht kam? Und nicht zuletzt bereitete mir der Gedanke Sorgen, dass Robbie meinem Vater wirklich alles verraten würde. Oder betrachtete er seine Drohung als geeignetes Mittel, um mich zu erpressen? Damit ich mich seinen Wünschen fügte? Jedenfalls hing sie über meinem Kopf wie ein Damoklesschwert.
    Die Situation war durch und durch verfahren.
    Am nächsten Morgen ging ich bereits vor dem Frühstück zur Arbeit, um Robbie zumindest im Kastanienhaus nicht über den Weg zu laufen.
    In der Weberei war es

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