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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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um diese Zeit ungewohnt ruhig, die Webmaschinen standen noch still und warteten darauf, wieder zum Leben erweckt zu werden. Ich versteckte einen Zettel an Stefans Maschine. Tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte. Muss es dir erklären. Wann?
    Es kam keine Antwort, den ganzen Tag nicht. Ich mahnte mich zur Ruhe. Vielleicht war er zu beschäftigt oder fühlte sich nicht unbeobachtet … Er rührte sich bestimmt bald. Und falls er verärgert war wegen gestern Abend, dann musste ich bis Sonntag warten, wenn er zum Essen kam. Das war ohnehin in zwei Tagen.
    Es kam weder eine Nachricht noch Stefan selbst. Am Sonntag standen nur Kurt und Walter auf unserer Türschwelle.
    » Entschuldigung, Mrs. Grace « , sagte Kurt verlegen. » Stefan fühlt sich nicht wohl. «
    Während Mutter besorgt überlegte, ob sie ihm lieber Arznei, eine Wärmflasche oder eine Portion vom Mittagessen bringen sollte, fragte ich Kurt stumm mit den Lippen: » Was ist los? «
    Er zuckte die Achseln, und ich wandte mich an meine Mutter. » Ich könnte ja schnell bei ihm vorbeigehen, während du das Essen fertig machst. Schauen, ob es ihm gut geht und ob er irgendwas braucht, Aspirin oder so. Dann kannst du dich später selbst darum kümmern.«
    Ich wartete darauf, dass Vater einschritt, doch er zog lediglich die Augenbrauen hoch. Falls das als Warnung gedacht war, beschloss ich es zu ignorieren.
    Stefan sah kein bisschen krank aus, als er mir die Tür öffnete.
    » Was willst du hier? « , fragte er mit schneidender Stimme und blickte prüfend nach beiden Seiten die Straße hinunter.
    » Kurt sagte, du seist krank. «
    Er antwortete nicht und rührte sich nicht vom Fleck.
    » Lass mich rein, es ist kalt draußen « , bat ich. » Ich muss dir etwas erklären wegen neulich. «
    Sein Gesicht war traurig, seine Stimme eisig. » Komm nie wieder her. Wir können uns nicht mehr treffen. «
    » Du hast mir einen Zettel geschrieben, wir müssten reden. Worüber wolltest du mit mir sprechen? «
    Er schüttelte den Kopf. » Über nichts. Es ist inzwischen nicht mehr wichtig. «
    » Ist es sehr wohl, denn sonst hättest du mir keine Nachricht zugesteckt. « Inzwischen war ich völlig verzweifelt.
    Meine Bitten prallten an ihm ab. » Lily, halt den Mund und hau endlich ab « , sagte er ziemlich rüde.
    » Bitte, bitte Stefan, lass mich dir erklären … « , flehte ich, aber er drehte sich um und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Vergeblich hämmerte ich dagegen und machte mich nach einer Weile schweren Herzens und in düsterer Stimmung auf den Heimweg.
    Ohne zu wissen, warum er so reagiert hatte.

Kapitel 12
    Wie jede Generation von Immigranten hatten auch die Hugenotten gegen Vorurteile zu kämpfen: Es wurde ihnen vorgeworfen, sie würden Arbeitsplätze stehlen, hätten einen geringen Wohn- und Hygienestandard, verursachten öffentliches Chaos und ihre sittlichen Werte würden zu wünschen übriglassen. In London wurde sogar berichtet, die Köpfe der Hugenotten seien kleiner als die der Engländer, woraus gefolgert wurde, dass sie weniger intelligent seien. In einer Zeitung wurden sie mit einem » Schwarm von Fröschen « verglichen, und es gab Bestrebungen, sie aus dem Land zu werfen.
    Aus: Die Geschichte der Seide von Harold Verner
    Gleich am Montagfrüh kam Gwen in mein Büro. Ich stand am Fenster in der Hoffnung, Stefan zu sehen, wenn er in die Fabrik kam. Vielleicht schaute er ja zu mir herauf, gab mir ein Zeichen …
    » Ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten « , sagte sie.
    » Worum geht’s? « , fragte ich und blickte weiter angelegentlich aus dem Fenster, denn unten ging gerade eine größere Gruppe über den Hof.
    » Ich muss heute zum Lager fahren « , sagte sie. » Peter sollte mich begleiten, und nun hat er sich krankgemeldet. Ich brauche aber jemanden, der mir beim Umladen hilft. Außerdem ist es ganz angenehm, zwischendurch mal am Steuer abgelöst zu werden. «
    Die kontingentierte Rohseide musste seit dem Beginn der heftigen Luftangriffe auf London in einem Lager nördlich von Huntingdon abgeholt werden, und die Fahrt dorthin dauerte gut drei Stunden. Bislang war das Jims Aufgabe gewesen, jetzt die von Gwen und von Peter, unserem neuen Lagerverwalter. Leider fehlte er sehr oft. Die Nerven, hieß es. Peter hatte im letzten Krieg im britischen Expeditionskorps gedient und wohl so einiges mitgemacht. Seitdem war er nicht mehr belastbar.
    » Ich habe viel zu tun « , log ich. » Im übrigen kann ich nicht fahren und wäre dir also

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