Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
ist doch schon besser.«
Isaura sah an sich herab und zog eine Grimasse. »Fehlt nur noch der Schleier.«
Maria Annas Lächeln vertiefte sich. »Ja, sehr modisch sind unsere Gästekleider nicht, doch zumindest sauber und trocken.«
Isaura nickte und bedankte sich, dann ließ sie sich in das kleine Speisezimmer führen. Das alte Refektorium, in dem die Nonnen früher bei erbaulichen Lesungen gespeist hatten, gehörte heute zu dem Teil des Palasts, der als Museum von Touristen besichtigt werden konnte. Der Zutritt zum Speisesaal, in dem die Nonnen heutzutage aßen, war ihr natürlich verwehrt.
Isaura fand einen Teller mit Brot, Käse und geräuchertem Schinken, Oliven und eine Schale mit Obst, einen Krug Wasser und einen mit Wein.
»So einfach wie unsere Kleidung ist auch das Mahl«, sagte Maria Anna entschuldigend, doch Isaura wehrte ab. »Es ist genau das, was mir jetzt schmecken wird. Herzlichen Dank!«
Maria Anna setzte sich zwar zu ihr, lehnte es aber ab, mehr als nur einen Becher Wasser zu nehmen. Vermutlich durfte sie zwischen ihren festgelegten Mahlzeiten nichts weiter essen. Was für ein hartes Leben, das die Frauen und Männer auf sich nahmen, die sich für das Kloster entschieden.
Maria Anna schien ihre Gedanken zu erahnen, denn sie sagte: »Es sind nicht die Äußerlichkeiten, die es einem manches Mal schwer machen, die Regeln einzuhalten. Mich stören weder die Kutte noch der Schleier oder meine Sandalen. Und auch das Essen ist völlig in Ordnung. Ich habe mein überladenes Jugendzimmer ohne Bedauern gegen eine karge Zelle eingetauscht. Nun ja, und wir müssen auch nicht mehr ganz so frieren wie die Schwestern in früheren Jahrhunderten. Unsere Kammern kann man beheizen. Der Winter ist selbst hier in Kastilien empfindlich kalt, und wie Sie selbst erfahren haben, kann einen auch der Frühling mit bitterkaltem Wind und Regengüssen überraschen. Man gewöhnt sich auch irgendwie an das frühe Aufstehen und das ebenso frühe Zubettgehen.«
»Was ist es dann, womit Sie hadern, wenn Sie diese Frage nicht als zudringlich empfinden. Es kommt mir so vor, als spürte ich einen Konflikt, der Sie umtreibt.«
Maria Anna nickte langsam. »Sie haben eine gute Beobachtungsgabe und ein Gespür für Menschen, das habe ich gleich bemerkt. Ja, ich hadere und bin noch weit von dieser inneren Ruhe entfernt, die unsere Mutter Oberin ausstrahlt.« Sie seufzte. »Das, was uns eigentlich zur inneren Reinheit führen soll, das tägliche Einerlei, die Rituale und der strenge Tagesablauf mit seinen Stundengebeten und unserer Arbeit scheinen bei mir das Gegenteil zu bewirken. Es macht mich rebellisch! Es reizt mich zum Widerspruch.« Wieder seufzte sie. »Und selbst das ist nicht das Schlimmste.« Sie hielt inne, und auch Isaura schwieg und wartete, ob die junge Schwester bereit war weiterzusprechen.
»Die Klausur«, sagte sie leise. »An dieser absoluten Abgeschlossenheit von der Welt reibe ich mich auf.«
Isaura versuchte sich das Leben unter dem Schleier einer Klarisse vorzustellen. Nein, das wäre schlimmer als Gefängnis. »Ich glaube, ich würde daran zerbrechen«, sagte sie mitfühlend. »Aber warum haben Sie dann diesen Orden gewählt? Wenn Sie schon in ein Kloster eintreten wollten, dann gab es doch sicher auch andere Möglichkeiten. Soviel ich weiß, widmen sich auch heute Schwestern der Krankenpflege und sind in anderen Bereichen der sozialen Fürsorge aktiv. Man muss sich nicht hinter Klostermauern einschließen.«
Isaura konnte den Gesichtsausdruck nicht deuten.
»Es war gerade die Klausur, derentwegen mein Vater die Klarissen gewählt hat«, sagte sie so leise, dass Isaura sie kaum verstand.
»Ihr Vater?«
Doch Maria Anna wehrte ab. »Vielleicht werde ich es Ihnen ein andermal erzählen. Ich habe so das Gefühl, dass sich unsere Wege nicht zufällig und auch nicht zum letzten Mal gekreuzt haben.« Ihr Lächeln wirkte ein wenig bemüht. »Jedenfalls hatte ich das Glück, auf eine Mutter Oberin mit sehr viel Verständnis zu treffen. Ihr bleibt kein Leid verborgen. Sie rief mich zu sich, als ich die Entscheidung für das letzte Gelübde wieder einmal hinausschob, und hat lange mit mir gesprochen. Ja, und dann hat sie mich nach Spanien geschickt.«
Maria Annas Augen leuchteten. »Ich durfte auf Reisen gehen und zumindest ein Stück dieses wundervollen fremden Landes sehen. Und hier, an meinem Ziel angekommen, wurde ich sozusagen zur Gastmeisterin, obgleich mir diese Position sicher nicht zusteht. Doch die
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