Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
lassen, um zu verhindern, dass er sich an ihnen vergreift?«
Jimena schrak vor der wilden Eifersucht in ihrem Blick zurück. »Nein, natürlich nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass er auch ganz anders sein kann. Warm und freundlich und charmant.«
Entsetzt sah sie, dass Isabel Tränen in die Augen traten. »Und soll mich das jetzt erheitern, dass mein Bräutigam in Gegenwart aller anderen Frauen so ist, nur nicht zu mir?«
»Nein«, rief Jimena mit wachsender Verzweiflung. »Du verstehst mich falsch. Ich denke, er würde sich dir gern öffnen, doch du bist so korrekt höflich, so unnahbar.«
»Ach, meinst du, ich sollte mich ihm vor der Hochzeit an den Hals werfen? Was wird er dann wohl von seiner Königin denken?«
Jimena gab es auf. Ihr blieb nur zu hoffen, dass die Zeit die beiden einander näherbringen würde. Jedenfalls waren sie sich immer noch recht fremd, als sie fünf Tage später im Haus von Don Vivero von Erzbischof Carrillo getraut wurden.
Jimena spürte Carrillos Sorge, die er unter seiner selbst sicheren Miene verbarg. Die Zahl von Isabels Anhängern schmolz zusammen wie der Schnee im Frühling. Bei vielen, die sie gern auf dem Thron gesehen hätten, kamen die alten Feindseligkeiten gegen den Nachbarn Aragón wieder hoch, und so wandten sie sich den Anhängern der Beltraneja zu, die eine Verbindung mit Portugal favorisierten. Bedrückt nahm Jimena wahr, dass kein Einziger der mächtigen Granden im Land zu Isabels Hochzeit erschienen war. Lediglich der Admiral, Fernandos Großvater, verlieh der Zeremonie ein wenig hochadeligen Glanz. Der Kreis der Verbündeten war erschreckend klein, und nicht einmal die Familien der beiden Brautleute waren bei den Feierlichkeiten dabei. Jimena ließ den Blick über die kleine Delegation aus Aragón wandern, neben denen Gómez Manrique, Gonzalez de Chacón und Gutierre de Cárdenas in ihren prächtigen Festtagsgewändern standen. Die übrigen Gäste waren bürgerliche Ratsherren oder Hidalgos der Stadt, die allerdings nach der Zeremonie ihr Prinzenpaar wohl zu feiern wussten. Jimena ahnte, dass Carrillo bei den Juden der Stadt einen ganzen Batzen Gulden aufgenommen hatte, um die Hochzeit für Isabel und Fernando überhaupt ausrichten zu können. Nein, das war kein guter Anfang, dachte sie mit einem Kloß im Hals. Selbst der päpstliche Dispens, den Carrillo unverfroren verlas, war eine Fälschung, und damit war die Eheschließung zwischen Cousine und Vetter streng genommen nicht einmal wirksam, was sicher auch die Prinzessin wusste, doch sie überließ sich ganz dem Erzbischof. Er würde es beizeiten schon richten.
Trotz aller Widrigkeiten taute Isabel zum ersten Mal ein wenig auf und strahlte mit glühenden Wangen in die Runde, was vielleicht auch am Wein lag, den sie heute ausnahmsweise statt Wasser trank.
Erst als die Nacht voranschritt und es für die Brautleute Zeit wurde, sich in ihr Gemach zurückzuziehen, kehrte ihre Befangenheit zurück. Isabel griff nach Jimenas Hand, und obgleich sie sich redlich Mühe gab, es zu verbergen, konnte ihre Freundin die Furcht in ihrem Blick sehen.
Dein Bräutigam ist nicht unerfahren in diesen Dingen, dachte Jimena, wusste aber nicht, ob das Isabel ein Trost sein würde. Daher sagte sie lieber nichts und drückte nur ihre Hand.
Mit Musik und Gesang begleiteten die Gäste das Brautpaar zu ihrem Schlafgemach und ließen es dann allein zurück. Was sich dort hinter den geschlossenen Türen abspielte, konnte Jimena nur vage erahnen. Auch ihr fehlte noch jede Erfahrung, was die körperlichen Dinge zwischen Mann und Frau betraf, auch wenn sie nicht ganz naiv war. Obgleich auch sie mehr Wein getrunken hatte als sonst, lag Jimena noch lange wach neben Teresa im Bett und fand keinen Schlaf. Sie dachte an Isabel und wie sie sich in den Armen des ihr noch so fremden Mannes fühlen würde. Dann wanderten ihre Gedanken zu Ramón. Immer noch überkamen sie sehnsuchtsvolle Empfindungen, wenn sie an seine zärtliche Küsse dachte. Jahre war das nun schon her, und seitdem war ihr kein Mann wieder so nahe gekommen. Sie erschauderte bei der Vorstellung, jetzt diesen Moment engster Verbindung mit ihm zu erleben.
Nein, das konnte nie passieren. Die Kirche würde nicht zustimmen. Sie waren kein königliches Paar, das so einfach einen Dispens erhalten würde. Und außerdem hatte sich Ramón von ihr abgewandt. Sie würde ihren Schwur brechen müssen, um sich ihm zuwenden zu können, und das würde sie nicht tun. Niemals.
Und doch. Die
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