Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
dann schnell hinzu, als er ihren finsteren Gesichtsausdruck gewahrte: »Ihr solltet Euch besser anhören, was er zu sagen hat. Nur ein gut gemeinter Ratschlag!«
Zu Jimenas Enttäuschung schickten Isabel und Fernando alle außer dem Marquis und Pedro hinaus und schlossen die schwere Tür zur Halle. Sie hätte zu gern gewusst, was der König ihr vorschlug. Dass es nichts war, was Isabel und ihren Gemahl entzücken würde, das glaubte sie allerdings bereits zu wissen. Nicht bei der Miene, die der Marquis von Villena zur Schau trug!
Nachdenklich querte Jimena den Hof und trat durch das große Tor hinaus. Sie konnte jetzt nicht still sitzen, während dort drinnen vielleicht entscheidende Dinge beschlossen wurden, die für alle hier weitreichende Folgen haben konnten. Unruhig ging sie zwischen alten, knorrigen Olivenbäumen bis zum Brunnen, wo eine Steinbank zum Verweilen einlud.
Sie überlegte gerade, ob sie sich hier im Schatten ein wenig niederlassen sollte, als sich ihre Härchen im Nacken mit einem nicht unangenehmen Kribbeln aufrichteten. Jimena blieb wie angewurzelt stehen. Sie sandte ihre Gedanken aus und ließ sie tastend zwischen den Olivenbäumen den Erdpfad entlangwandern, bis sie auf den Mann stießen, der ihr in einigem Abstand folgte. Er war es. Kein Zweifel. Doch was hatte er hier zu suchen?
Sie rührte sich nicht, bis er dicht hinter ihr stand. Sie unterdrückte ein Schaudern, als er die Hand hob und sie auf ihre Schulter legte.
»Du hast mich längst bemerkt, nicht wahr? Oder sind deine besonderen Fähigkeiten etwa versiegt?«
Jimena drehte sich langsam um. »Nein, das sind sie nicht, Ramón, obgleich ich gestehen muss, dass ich dich nicht habe kommen sehen. Weder dich noch den Marquis«, fügte sie etwas schärfer hinzu. »Und wenn, dann hätte ich vielleicht nicht geglaubt, dass du nun zu seinem Gefolge gehörst.«
Ramón griff nach ihren Händen und küsste zärtlich ihre Fingerspitzen. »Ich gehöre nicht zum Gefolge des Marquis. Meine Treue gehört dem König und seinem rechtmäßigen Erben, das weißt du! Ich hänge meine Fahne nicht nach dem Wind und scheue keinen Sturm, der mir ins Gesicht bläst. Wenn ich Treue schwöre, dann ist es eine Gefolgschaft für ein ganzes Leben.«
Er sah sie so feierlich an, dass Jimena lächelte. Sie hob die Hand und strich ihm über die unrasierte Wange. Wie gut er aussah. Die Haut gebräunt, das Haar ein wenig zu lang, die Augen so strahlend und voller Begehrlichkeit auf sie gerichtet. Er war männlicher geworden, muskulöser, härter, und doch strichen die schwieligen Hände so zart über die ihren.
»Ja, ich weiß, dass man sich deiner Treue sicher sein kann«, sagte sie versöhnlich. »Doch was will der Marquis hier? Und was hat er mit dem Aragonier zu schaffen?«
»Sie werden Isabel und ihrem Gatten einen Vorschlag unterbreiten, der all den Zank beenden kann«, rief Ramón aus. »Es wird Frieden in Kastilien und in Aragón einkehren, und wenn die Zeit reif ist, werden sie zu einem großen Reich verschmelzen. Ein goldenes Spanien!« Er strahlte sie so voller Zuversicht an, dass Jimena nicht anders konnte, als ihn an sich zu ziehen und ihre Lippen auf die seinen zu pressen. Wenn die Länder ihre Kriege begraben und zu einer Einigung finden konnten, war es dann nicht viel leichter, zwei Menschen zu versöhnen und zu vereinen?
Ramón erwiderte den Kuss. Er drückte sie an sich und zog sie mit sich auf die Bank, wo sie eng umschlungen nicht voneinander lassen konnten.
»Heirate mich!«, stieß Ramón zwischen zwei Küssen hervor.
»Du weißt, dass das nicht geht«, wehrte Jimena ab, obwohl allein der Gedanke ein noch heißeres Gefühl in ihr aufwallen ließ als seine Küsse. Sie würden ihre Zuneigung vor niemandem mehr zu verheimlichen brauchen. Keine Schuldgefühle, keine Sünde, die man beichten musste. Mit Gottes Segen konnten sie sich lieben.
Isabel kam ihr in den Sinn, die Hochzeitsnacht, die un terdrückte Furcht und die Scham, als Fernando am anderen Morgen das Leintuch präsentierte.
Nein, Jimena würde keine Furcht vor ihrer Hochzeitsnacht empfinden. Nur reine Freude und Verlangen, sich ihm ganz hinzugeben und in seinen Armen einzuschlafen, um eng an ihn gedrückt nach einer Nacht glückseliger Träume wieder zu erwachen.
Es gelang ihr nicht länger, sich mit den lieblichen Gedanken zu betrügen. Ihr Geist protestierte, und obwohl sie sich bemühte, die Bilder nicht wahrzunehmen, die er ihr zeigte, löste sie sich aus Ramóns Armen und
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