Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Sehnsucht war stark wie nie. Gab es nicht doch einen Weg, dass sie zusammenkommen konnten?
In ihrem Geist sah sie den bleichen Leib des Königs aufgebahrt in einer Kirche liegen – und Isabel, die die Krone auf ihrem Haupt trug.
Vielleicht würde sich Ramón ihr anschließen, wenn Isabel erst einmal gekrönt war und beweisen konnte, dass sie dem Land eine gute Herrscherin sein würde.
Mit diesem tröstlichen Gedanken schlief Jimena ein.
Am Morgen trafen sich die Gäste noch einmal zu einem Mahl, und auch draußen vor den Toren des Palasts von Juan de Vivero hatte sich einiges Volk von Valladolid eingefunden. Es hatte sich herumgesprochen, dass im Haus des Don eine für sie wichtige Verbindung geschlossen worden war. Man aß und trank und wartete darauf, dass sich die Frischvermählten zeigen würden. Endlich tauchten sie prächtig gekleidet und mit roten Gesichtern aus ihrem Gemach auf. Fernando versäumte es nicht, sowohl den Gästen als auch den Bewohnern von Valladolid stolz das blutbefleckte Linnen des Brautgemachs zu präsentieren. Schamhaft senkte Isabel den Blick, und ihre Wangen röteten sich, dabei war eine solche Präsentation des Betttuchs durchaus üblich und in ihrem Fall auch ratsam! Isabel und ihrem Gemahl sollte es nicht wie ihrem Bruder Enrique gehen, der diese Geste versäumt hatte und zeit seines Lebens gegen Gerüchte ankämpfen musste.
Isabel hob den Blick und sah Jimena an. Ein Zug von Entschlossenheit verdrängte die mädchenhafte Scham. Und als ob sie die Gedanken der Freundin erraten hätte, sagte sie leise zu ihr: »Ich werde dafür sorgen, dass niemand bei Hof jemals behaupten kann, ein anderer als Fernando könnte der Vater meiner Kinder sein, das schwöre ich dir! Ich habe ihm meine Treue geschworen, und ich werde sie ihm halten, bis in den Tod!«
Jimena glaubte ihr. Nicht nur, dass sie es in diesem Moment vorhatte, sondern auch, dass sie sich über gute und schlechte Jahre hinweg daran halten würde. Sie hatte das zügellose Treiben am Hof ihres Bruders kennengelernt und stets verabscheut. An ihrem Hof würde es einst anders zugehen, dafür würde die willensstarke Königin sorgen.
Zumindest bei sich selbst und vielleicht noch bei ihren Hofdamen. Dass sie es schaffen würde, auch ihren Gemahl zur ehelichen Treue anzuhalten, das bezweifelte Jimena. Nein, sie würde lernen müssen, mit ihrer Eifersucht und den Kränkungen zu leben. Und je eher sie dies akzeptierte, desto leichter würde es für sie werden.
Jimena betrachtete die entschlossene Miene. Nein, Isabel war nicht dafür geschaffen, Dinge zu akzeptieren oder einen Kampf aufzugeben. Doch in diesem Fall konnte sie nicht gewinnen. Sie würde das Leid nur vergrößern. Jimena wusste dies, aber es gab für sie keine Möglichkeit, es zu verhindern oder für Isabel einfacher zu machen. Alles, was ihr blieb, war, an ihrer Seite zu stehen und für sie da zu sein, wenn die dunklen Stunden von Wut und Verzweiflung über sie hereinbrechen würden. Wenn sie sich in der Einsamkeit ihres Gemachs schwach fühlen und die Zweifel an ihrer Seele nagen würden.
Sie konnte das Bild vor sich sehen, und es schmerzte sie. Nein, ihre Gabe war auch ein Fluch, und sie hätte viel darum gegeben, all diese Dinge nicht zu wissen.
Kapitel 24
Medina de Ríoseco, 1470
Ein düsterer, kalter Winter brach über Kastilien herein. Er musste Isabel noch eisiger und finsterer vorkommen als alle, die sie bereits erlebt hatte, denn falls sie geglaubt hatte, nun, nachdem diese Ehe geschlossen war, würden sich ihr die Granden und vielleicht sogar der König wieder zuwenden, so musste sie einsehen, dass sie sich getäuscht hatte. Der Kreis um sie wurde immer lichter. Die Anhänger Enriques und Juanas rückten näher. Selbst in Valladolid schlug die Stimmung irgendwann um, und als im März die ersten Blumen ihre Köpfe hervorreckten, wandelte sie sich von Ablehnung in Feindseligkeit, sodass der Admiral zu einem raschen Aufbruch mahnte. Wieder einmal brachen sie mit wenig Gepäck überstürzt in der Nacht auf und zogen sich nach Dueñas zurück. Wenige Monate später waren sie gezwungen, nach Medina de Ríoseco weiterzureisen, wo sie auf dem Landgut des Admirals Zuflucht fanden. Enrique triumphierte und zog unter dem Jubel der Bevölkerung in Valladolid ein. Er übergab die Stadt seinem Vertrauten, dem Grafen von Benavente, ein feinsinniger Adelsmann, der eine umfangreiche Bibliothek sein Eigen nannte, die nahezu alle Wissensgebiete beinhaltete. Ein Mann, den
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