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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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davonzujagen.«
    »Er hat Euch bereits Madrid weggenommen, nicht wahr?«
    Andrés nickte grimmig.
    »Aber meint Ihr wirklich, seine Feindschaft rührt allein daher, dass Ihr ein konvertierter Jude seid?«, erkundigte sich Jimena zweifelnd.
    Andrés hob die Schultern. »Das ist sicher nicht der alleinige Grund. Es ist ihm ein Dorn im Auge, dass ich das Vertrauen des Königs genieße, und überhaupt gibt es viel Neid und Missgunst, wenn es um Juden und Konvertiten geht. Auch wenn die meisten Juden auf dem Land ein einfaches Leben fristen, so rücken doch stets die ins Augenmerk, die es zu Wohlstand gebracht haben und sich in den Augen der Christen ungerechtfertigt an ihnen bereichern. Immerhin müssen sie dafür einige Nachteile in Kauf nehmen. Sie müssen unter ihresgleichen wohnen, dürfen nicht jedem Beruf nachgehen, müssen höhere Abgaben bezahlen. Die Konvertiten dagegen haben die gleichen Rechte wie die guten, alteingesessenen Christen. Doch wie sollten sie gute Christen sein können, wenn doch ihre Väter und vielleicht auch sie selbst noch vor kurzer Zeit den mosaischen Gesetzen anhingen? Man unterstellt ihnen, sich nur zum Schein taufen zu lassen und heimlich ihrem alten Glauben weiterzufolgen. Daher muss man ihnen mit Misstrauen begegnen und will sie nicht auf einem wichtigen Posten oder gar in der Nähe des Königs sehen.«
    Seine Stimme klang ein wenig bitter, obgleich er sich noch immer um ein Lächeln bemühte.
    »Und? Ist der Vorwurf berechtigt?«, erkundigte sich Jimena.
    Andrés’ Stirn umwölkte sich. »Ganz sicher nicht überall. Es gibt viele, die sich aus Überzeugung taufen ließen und gute Christen sind. Doch ich muss zugeben, das trifft nicht auf alle zu. Wir können nur hoffen, dass die Uneinsichtigen nicht all den anderen irgendwann zum Verhängnis werden.«
    Obwohl er dies nur so dahinsagte, spürte Jimena den tiefen Schrecken in diesen Worten, doch Andrés sprach weiter und verhinderte, dass sie sich in den gefährlichen Strudel ihrer Gedanken reißen ließ.
    »Und nun lebt wohl, Doña Jimena. Ich bete um eine sichere Reise und dafür, dass wir uns schon in wenigen Tagen gesund in Segovia wiedersehen.«
    Er küsste ihre Hand, während seine beiden Begleiter bereits die Pferde herausführten. Dann schwangen sie sich in den Sattel und ritten dem schwindenden Tag hinterher. Jimena sah ihnen nach, bis die drei Reiter mit den schneebedeckten Bergen verschmolzen.
    Jimena hielt sich weder für ein schwaches Weib noch für wehleidig, doch auch ihre körperlichen und seelischen Kräfte wurden in den folgenden Tagen auf eine harte Probe gestellt. Bereits nach der ersten Gebirgskette dachte sie, sie könne nicht mehr weiter, und fragte sich, wie sie die Eiseskälte auch nur noch eine Stunde länger überleben sollte. Der Wind hatte den Schnee immer wieder zu mächtigen Hügeln zusammengeweht, sodass sie Mühe hatten, den Weg überhaupt zu finden. Immer wieder versackten die Pferde im tiefen Schnee, und die Reiter mussten absteigen, um die Rösser zu befreien. Dann, als sie die Passhöhe überwunden hatten, ging es so steil bergab, dass sie die Tiere führen mussten. Jimenas Füße und Hände schmerzten wie noch nie, und dann spürte sie gar nichts mehr, was sie nicht weniger beunruhigte. Sie wusste, wie schnell der Frost dauerhafte Schäden anrichten konnte. Ihre Röcke waren bis über die Knie durchweicht, und auch der Rest ihres Körpers schien in der Kälte erstarrt zu sein. Sie war zu erschöpft, um überhaupt aufzusehen und nachzuschauen, wie es den anderen ging. Am besten war es, den Blick auf die Füße gesenkt zu lassen und mit gebeugtem Rücken einen Schritt vor den anderen zu setzen, ohne zu denken, ohne sich zu fragen, wann diese Tortur ein Ende haben würde.
    Plötzlich fühlte sie eine Hand an ihrem Arm und schreckte hoch. Sie sah in Teresas weißes Gesicht. Auch sie musste frieren und müde sein, doch sie sah Jimena mit einem Lächeln an, das sie wie ein warmer Schwall durchrieselte. Es war, als würde etwas Überirdisches Teresa einhüllen, ihr Mut und Kraft geben, die nun auf Jimena übersprangen.
    Sorge dich nicht, meine liebe Schwester. Wir haben es bald geschafft. Dann können wir ruhen, und morgen wird alles besser sein.
    Wie sollte es? Der zweite Pass lag noch vor ihnen.
    Jimena sah zu Beatriz hinüber, die während des Aufstiegs gejammert und geflucht hatte, nun aber schon seit Stunden schwieg. Ihr Anblick war gespenstisch. Ihr Blick war starr wie der einer Toten, während sie

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