Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
das gleiche magische Blut durch Teresas Adern rann.
Die beiden Frauen stiegen die Treppe in den Hof hinunter, der so früh am Morgen noch ruhig und verlassen dalag. Sie mussten sich noch fast zwei Stunden gedulden, während das Haus erwachte und der Tag seinem gewohnten Gang folgte, bis endlich etwas geschah. Ein Junge kam gelaufen und meldete unbekannte Reiter.
»Eine Dame ist auch unter ihnen!«
Da man hier auf dem abgelegenen Gut nicht häufig Besuch bekam, versammelten sich alle im Hof, um selbst zu sehen, wen es an diesem Tag hierher verschlug. Als die Reiter endlich durch das Tor kamen, konnte Jimena ein Raunen hören. Sie ließ Isabel nicht aus den Augen und nahm die Anzeichen wechselnder Gefühle wahr, als diese die Freundin erkannte, die sie so schmählich im Stich gelassen hatte. Würde Isabel ihr verzeihen und sie und ihren Ehemann willkommen heißen, oder verbot der Stolz es ihr, noch einmal ihr Vertrauen zu verschenken?
Beatriz ließ sich vom Pferd gleiten und eilte sogleich auf Isabel zu. Sie ließ sich auf die Knie sinken und griff nach ihren Händen.
»Verzeih mir«, sagte sie. »Ich war schwach und konnte nicht anders. Doch jetzt bin ich hier, um dich um Vergebung zu bitten und dir unsere Hilfe und Unterstützung anzubieten.«
Jimenas Sorgen lösten sich bereits nach wenigen Augenblicken auf.
Nachdem sich die Verblüffung gelegt hatte, erhellte ein Lächeln Isabels Miene. Sie zog die Freundin ihrer Kindertage hoch und schloss sie in die Arme.
»Beatriz, ich habe gebetet und doch kaum zu hoffen gewagt, dass wir uns wiedersehen – unter besseren Umständen! Wie schön, dass du hier bist, auch wenn sich die Umstände kaum gewandelt haben.« Ihre Miene wurde ernst. »Es ist nicht sicherer geworden, zu meinen Verbündeten zu gehören! Nein, ganz im Gegenteil.« Sie unterdrückte einen Seufzer.
Beatriz nickte. »Ja, ich weiß. Ich habe euren Weg verfolgt und mit euch gebangt und gelitten. Jetzt weiß ich, dass mein Platz hier an deiner Seite ist und mir nichts anderes übrig bleibt, als meine Furcht zu besiegen. Aber das muss ich ja jetzt nicht mehr allein.«
Sie wandte sich um und winkte den Mann heran, der neben ihr geritten war. Ihr Blick und ihr Lächeln verrieten, dass er nicht nur die Wahl ihres Vaters war. Nein, Beatriz musste ihrem Gatten in Liebe zugeneigt sein. Seinen Namen hatte Jimena schon im Traum vernommen: Andrés de Cabrera. Sie betrachtete den Mann neugierig. Er war älter als sie und Beatriz. Jimena schätzte ihn auf siebenundzwanzig oder achtundzwanzig. Sein Haar war tiefschwarz und recht kurz geschnitten, sein angenehmes Gesicht wohl normalerweise glatt rasiert – wenn er nicht gerade, wie jetzt auf dem Weg nach Alcalá de Henares, einige Tage auf Reisen verbracht hatte. Er betrachtete die Welt um sich herum prüfend aus seinen dunklen Augen, und wenn er lächelte, strahlten sie. Ein Kranz von Fältchen erschien, der ihm Charme verlieh. Doch da war auch eine Entschlossenheit, die von einem eisernen Willen sprach. Er wirkte wie ein Mann, dem man sein Vertrauen schenken konnte. Wie ein Mann, der das zu verteidigen wusste, was ihm wichtig war.
Andrés de Cabrera trat vor und verbeugte sich elegant vor Isabel. Fernando war wieder einmal weg und mit den Aufständen in Katalonien beschäftigt. Genaueres wusste Jimena nicht, doch sie spürte, dass Andrés de Cabreras Interesse nicht dem Aragonier galt, sondern der zukünftigen Königin des Landes.
»Seid mir herzlich willkommen, Don Andrés«, begrüßte ihn Isabel mit warmer Stimme. »Lasst uns hineingehen und eine Erfrischung nehmen, während Eure Gemächer für Euch gerichtet werden. Ich hoffe, Ihr werdet eine Weile hierbleiben und uns Gesellschaft leisten?«
Don Andrés nickte. »Gern Hoheit, und ich hoffe, dass Ihr meine Vorschläge, die ich Euch unterbreiten möchte, gut heißen und schon bald mein Gast sein werdet. Außerdem möchte ich Euch gern meinen Begleiter hier vorstellen, Abraham Senior, ein Mann mit begnadeten Fähigkeiten, wenn es um Geld geht.«
Isabel sah ihn interessiert an und begrüßte den Mann, dessen Name und Aussehen keinen Zweifel daran ließen, dass er Jude war, doch das schien Isabel nicht zu stören. An vielen Höfen kümmerten sich Juden um die Finanzen. Es gab jüdische Ärzte und Wissenschaftler und auch Berater für andere wichtige Fragen, auch wenn immer wieder einmal Gesetze erlassen wurden, die die Freiheit der Juden einschränkten und ihnen so manchen Beruf verboten.
Isabels Lächeln
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